Keine Gnade

beschäftigt, hatte einen höheren Abschluss in Medizin, und auf seinen medizinischen Ausweis war ein Kadukäus gedruckt. Und Tiny und Robin Westcott gingen davon aus, den Täter bei einer Gegenüberstellung zu erkennen. Also hab ich’s doch nicht so schlimm vermasselt wie zunächst angenommen, dachte sie bei sich. Ihr Telefon klingelte, und Chief Larson beorderte sie gewohnt knurrig in sein Büro. Sofort.
    Als Sami Bürgermeisterin Sullivan schon wieder im Büro des Captains sitzen sah, befürchtete sie, dass ihre Auspeitschung bevorstand.
    Davison bedeutete ihr, sich neben die Bürgermeisterin zu setzen. Ihr empfindlicher Magen verkündete sein Unbe­hagen.
    Â»Wo ist Osbourn?«, fragte der Chief.
    Sie konnte Larson nicht sagen, dass sie ihn kurz nach Hause geschickt hatte, damit er nach seiner Frau sehen konnte. »Er steckt bis zum Hals in Papierkram.«
    Der Chief nahm ihr das nicht ab. »Er muss herkommen.«
    Â»Keine Sorge«, sagte Sami. »Ich kann ihn herholen. Doch dann haben wir unsere Berichte auf keinen Fall bis heute Abend fertig.« Larson nahm es mit der Büroarbeit ganz genau, weshalb Sami jetzt pokerte.
    Â»Vergessen Sie es«, meinte der Chief. »Sie können ihn auf den neuesten Stand bringen.«
    Bürgermeisterin Sullivan lehnte sich zu Sami, als ob sie ihr etwas ins Ohr flüstern wollte. Doch ihre Stimme war keineswegs leise, ganz im Gegenteil. »Ich habe gehört, dass Ihr Team Großartiges geleistet hat, indem es die siebzehn Verdächtigen aufgespürt und befragt hat. Ist das richtig, Detective?«
    Â»So ist es.« Sie erkannte, dass die Bürgermeisterin ein Netz spann.
    Â»Und es stimmt auch, dass keiner der siebzehn Verdächtigen festgenommen oder überhaupt eingehender befragt wurde?«
    Â»Ich fürchte ja, Bürgermeisterin.«
    Â»Also haben wir Hunderte von Leuten auf die Jagd nach einem Geist geschickt?«
    Â»Ãœberhaupt nicht, Bürgermeisterin. Wir haben eine weitere Zeugin gefunden, die unseren Typen bei einer Gegenüberstellung erkennen könnte. Sie sitzt gerade mit Israel Martinez zusammen.«
    Â»Das ist großartig, Detective«, sagte die Bürgermeisterin. »Da gibt es nur ein kleines Problem. Wir haben keine Verdächtigen – nicht einen einzigen –, und deshalb haben wir auch keine Gegenüberstellung.«
    Â»Was macht die Zeugin mit Martinez?«, wollte Larson wissen.
    Â»Sie konnte den Täter viel besser sehen, und deshalb verfeinern wir die ursprüngliche Phantomzeichnung.«
    Â»Wer ist die Zeugin?«, fragte Larson.
    Â»Die Verkäuferin bei Saks.«
    Â»Warten Sie mal«, sagte Larson. »Hatte nicht Al schon mit ihr gesprochen?«
    Sami nickte.
    Â»Und er hat sie nicht gefragt, ob sie unseren Typen identifizieren könnte?«
    Â»Hat er. Aber zu dem Zeitpunkt hat die Zeugin behauptet, dass sie uns nicht mit einer Phantomzeichnung weiterhelfen könnte. Sie wissen, wie das ist, Chief. Manchmal leiden Zeugen vorübergehend an Amnesie.«
    Â»Ich will ehrlich zu Ihnen sein, Detective«, sagte die Bürgermeisterin. »Trotz Ihrer Bemühungen bin ich nicht nur enttäuscht, weil diese Ermittlung nicht vorankommt, sondern muss Ihnen sagen, dass ich meine Geduld verliere, und das ganz im Ernst.«
    Â»Wenn Sie erlauben, Bürgermeisterin, möchte ich Ihnen eine Frage stellen. Was soll ich unternehmen, was wir nicht schon längst tun? Doch wenn Sie Vorschläge zu machen haben, wenn ich eine andere Richtung einschlagen oder mein Vorgehen komplett ändern soll, dann werde ich Ihren Vorschlägen nachkommen, und zwar sofort.«
    Â»Ich bin nicht die leitende Ermittlerin in diesem Fall, das sind Sie. Ich sage Ihnen nicht, wie Sie Ihren Job zu erledigen haben, und Sie erzählen mir nicht, wie ich den meinen. Mir geht es nur um Ergebnisse. Und mir ist es egal, wie Sie dazu kommen, solange Ihr Vorgehen sich an die Richtlinien des Departments hält.«
    Â»Bei allem Respekt, Bürgermeisterin, wenn man die kurze Zeitspanne betrachtet, seit der ich diese Ermittlung leite, haben wir große Fortschritte gemacht. Wir haben zwei Augenzeugen, und bald werden wir eine überarbeitete Phantomzeichnung haben, die das Feld einengen wird. Der Täter ist höchstwahrscheinlich im Gesundheitswesen beschäftigt, und sein medizinischer Ausweis trägt den Kadukäus. Ich weiß, dass ich Ihnen das nicht erzählen muss,