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Keine Gnade

Keine Gnade

Titel: Keine Gnade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Annechino
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erzählte?
    Fast ihr ganzes Erwachsenenleben lang war McKenzie vorsichtig gewesen – zwanghaft vorsichtig. Warum war sie bei John so unachtsam gewesen? War es das Geld, das er ihr angeboten hatte? War es sein unschuldiger Charme? Damals im College waren drei ihrer engsten Freundinnen mit Rohypnol betäubt worden. Eine war schwanger geworden, eine war von einer Gang vergewaltigt worden, und eine hatte sich in Therapie begeben müssen. Was auch immer er mit ihr vorhatte, sie befürchtete das Schlimmste.
    Sie versuchte sich aufzusetzen, fühlte aber etwas an ihren Handgelenken zerren. Sie brauchte eine Minute, um festzustellen, dass sie am Bett festgebunden war. Als sie versuchte ihre Knie anzuziehen, musste sie entdecken, dass auch ihre Knöchel ans Bett gebunden waren. In ihren Schläfen pochte es gnadenlos. Sie lag still da und lauschte. Aber sie konnte nur das Ticken einer Uhr hören.
    Ihr Mund war staubtrocken, und sie versuchte, etwas Speichel aufzubringen, um sprechen zu können, doch es kam nur ein kaum zu verstehendes Krächzen heraus.
    Â»John, sind Sie hier? Können Sie mich hören?«
    Sie konnte kaum ihre eigenen Worte hören. Wie konnte sie dann erwarten, dass jemand anders sie hörte? Alles, was sie tun konnte, war ruhig dazuliegen und abzuwarten.

    Auf dem Weg zum Flughafen war Sami so nervös wie bei einem ersten Date. Al und sie waren nun schon seit fast zwei Jahren zusammen, trotzdem bekam sie immer noch eine Gänsehaut beim Gedanken, ihn bald wiederzusehen. Wenn Zuneigung durch Abwesenheit noch gesteigert wurde, dann war sie dafür der lebende Beweis. Sie hoffte, dass ihre Nervosität ein gutes Zeichen war. Denn was blieb schließlich, wenn feuchte Hände und ein empfindlicher Magen gleichgültigem Gähnen Platz machten?
    Sie wollte kurz nach der Landung seines Flugzeugs dort eintreffen, damit er noch in Ruhe sein Gepäck abholen konnte. Weiter vorn sah sie das erleuchtete JetBlue-Zeichen, an dem sie sich verabredet hatten, und darunter eine vertraute Gestalt, die in jeder Hand einen Koffer trug. Al ließ einen der Koffer fallen und winkte wie der Präsident, wenn er an Bord der Air Force One ging.
    Da sie am Bordstein keinen Parkplatz finden konnte, hatte sie in zweiter Reihe neben einem schwarzen Lincoln geparkt. Al ließ sein Gepäck neben dem Kofferraum stehen, und noch bevor sie ihn auch nur begrüßen konnte, hatte er schon seine Arme um sie geschlungen. Es schien Jahre her zu sein, seit sie die Geborgenheit seiner festen Umarmung gespürt hatte. Sie wollte nicht, dass sie endete.
    Â»Wie geht es dir, Fremde?«, sagte er.
    Â»Jetzt geht es mir schon viel besser.«
    Al ließ Sami los und hob die Koffer hinten in den Wagen. Sie versuchte ihm dabei zu helfen, doch er hielt sie zurück. »Nicht mit deinem Rücken.«
    Sie stiegen ein und verließen den Flughafen in Richtung Freeway 5.
    Beide fingen im selben Augenblick an zu reden. »Ich denke, wir haben beide viel auf dem Herzen«, sagte Sami. »Fang du an.«
    Â»Wie geht es deiner Mutter?«
    Â»Es geht voran, obwohl sie stur ist wie ein Esel. Glück­licherweise hat Emily mehr Überzeugungskraft als ich.«
    Â»Und es ist okay, dass Emily bei euch wohnt?«
    Â»Ich hoffe, sie wird uns nie verlassen. Sie ist meine Rettung.«
    Al hustete in seine Hand. Es schien, als ob er seine Worte sorgfältig wählte. »Und wie geht es mit der Ermittlung vor­an?«
    Â»Jede Menge kalte Spuren. Aber wir haben jetzt eine genaue Phantomzeichnung.«
    Â»Von einem Augenzeugen?«
    Â»Von der Verkäuferin bei Saks, die dem Täter das Cocktailkleid verkauft hat, das Genevieve Foster trug, als wir sie gefunden haben.«
    Â»Robin Westcott, die Frau, die ich befragt habe?«
    Â»Genau die.«
    Â»Aber sie hatte mir gesagt, dass sie uns nicht mit einer Zeichnung weiterhelfen könnte.«
    Â»Offenbar hat sich der Nebel gelichtet.«
    Â»Vielleicht hätte ich sie mehr unter Druck setzen müssen.«
    Â»Möglicherweise warst du ein wenig abgelenkt.«
    Al hatte den Eindruck, dass dies weder der richtige Zeitpunkt noch der richtige Ort für diese Unterhaltung war. Aber Sami hatte das Thema aufgebracht, also blieb ihm keine andere Wahl, als ihr zu erzählen, was ihn beschäftigte. Alles andere machte das Ganze nur noch schwieriger. Er legte seine Hand auf ihren Oberschenkel. »Du weißt, dass ich dich liebe, Sami,

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