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Keine Gnade

Keine Gnade

Titel: Keine Gnade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Annechino
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ist eine gute Nachricht, oder?«
    Â»Wenn du ein Glas für halbvoll hältst, dann ist es wohl so.«
    Sie suchte nach den richtigen Worten. »Ich weiß, mein Timing ist echt schlecht, aber darf ich dich um einen Rat fragen?«
    Â»Die unabhängigste Frau des neuen Jahrtausends braucht tatsächlich einen Rat von mir ?« Zum ersten Mal, seit er den Anruf wegen seiner Schwester bekommen hatte, wagte sich sein Sinn für Humor trotz seiner schwindenden Hoffnung ein bisschen hervor.
    Â»Ich bin mit meinem Latein am Ende.« Sie fasste ihm ihr Gespräch mit Bürgermeisterin Sullivan und den anderen zusammen. »Ich komme mir vor wie zwischen Baum und Borke.«
    Â»Ich weiß nicht, ob ich dir helfen kann. Du bist ein großartiger Cop. Erstklassig. Aber ich weiß nicht … wie du weißt … wie es in deinem Herzen aussieht. Die Arbeit eines Mordermittlers kann mit keinem anderen Beruf verglichen werden. Man kann das nicht halbherzig angehen. Man muss tausend Prozent geben. Jeden Tag. Jede Minute.« Er hielt einen Augenblick inne. »Für dich zählt nur eine Frage: Bist du in der Lage, alles zu geben?«
    Sie konnte von Al keinen realistischen Rat erwarten, wenn sie ihm nicht alles erzählte. Es wäre, als würde sie von ihm verlangen, ein Puzzle von fünfhundert Teilchen mit vierhundertfünfzig zusammenzusetzen. »Ich bin zum Pe­lican-Bay-State-Gefängnis geflogen und habe Simon besucht.« Sie hatte nicht damit gerechnet, dass diese Ankündigung ihr so einfach über die Lippen kommen würde.
    Â»Das meinst du doch wohl nicht ernst ?«
    Â»Sei bitte nicht böse, Al. Niemand außer dir weiß besser, dass ich seit dem Vorfall mit Simon nicht mehr dieselbe war. Ich habe einen Schlussstrich gebraucht, und Doktor Janowitz meinte, dass der einzige Weg, das alles ein für alle Mal zu verarbeiten, eine persönliche Auseinandersetzung mit Simon sein würde.«
    Â»Also willst du mir erzählen, dass du jetzt deine Ruhe gefunden hast?«
    Â»Ich habe es versaut. Wirklich versaut.«
    Â»Erzähl es mir.«
    Sie berichtete Al, wie Simon die Kontrolle übernommen und ihren Plan, ihm zu vergeben, über den Haufen geworfen hatte. Es war lange still, bevor er anfing zu sprechen.
    Â»Meiner Meinung nach ist es jetzt für dich an der Zeit, den Stier bei den Hörnern zu packen. Doktor Janowitz hat recht. Du musst dich deinen Ängsten stellen. Als du bei der Polizei gekündigt hast, musste ich mich mit meiner großen Klappe doch sehr zurückhalten. Du bist für die Sozialarbeit ungefähr so geschaffen wie ich für die Raketenwissenschaften. Ob du es nun akzeptierst oder nicht, die Arbeit eines Detectives liegt dir im Blut. Da gehörst du hin. Ich müsste lügen, wenn ich behaupten würde, dass ich keine Vorbehalte hätte. Aber mit denen muss auch ich selbst fertig werden. Persönlich habe ich das Gefühl, dass du eher durch deine Kündigung als durch dein Martyrium bei Simon aus der Bahn geworfen bist. Es liegt nun schon zwei Jahre zurück. Du hast gelitten, und unsere Beziehung hat gelitten. Klopfe dich ab, steig wieder aufs Pferd und reite, als ob es kein Morgen gibt. Denn das gibt es nicht. Nicht für dich. Und nicht für uns als Paar.
    Und wenn du davon überzeugt bist, dass du Simon vergeben musst, um endlich einen Schlussstrich ziehen zu können, dann schreib ihm einen verdammten Brief und erzähl ihm genau, was du fühlst. Vergib ihm, Sami. Und vergib dir selbst dafür, dass du ihn hasst.«
    Dies war die klare Ansage eines Kämpfers. Sami empfand seine Worte wie eine eiskalte Dusche. »Ich danke dir, dass du so aufrichtig bist.«
    Â»Nun ruf die Bürgermeisterin an, schreib den Brief und leb dein Leben weiter.«

19    Sami war um sieben Uhr dreißig am Hauptrevier – übermüdet, gespannt und trotzdem überraschend energiegeladen. Da sie keinen Parkausweis mehr hatte, musste sie sich auf einen Gästeparkplatz stellen. Hilflosigkeit überkam sie, als sie aufs Revier ging, weil es ihr so vorkam, als sei sie die einzig Fremde hier. Sie blickte sich rasch um, ob nicht doch jemand da war, den sie kannte, aber sie konnte niemanden entdecken.
    Auf dem Weg zum Büro des Captains kam sie an ihrem alten Schreibtisch vorbei, an dem nun der Anfänger-De­tective Richard Osbourn saß. Al hatte ein paar Mal von dem Jungen erzählt, er

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