Keine Gnade
Courage. Ohne Zweifel war sie zur Polizeiarbeit berufen, aber sie hatte das Gefühl, noch nicht bereit dafür zu sein, die Leitung der Ermittlung im Fall des Serienkillers zu übernehmen. Enthusiasmus war nicht das Problem, aber das fehlende Selbstvertrauen. Alle beobachteten sie. Die meisten unterstützten sie, doch es gab auch männliche Chauvinisten wie DâAngelo, die nur darauf warteten, dass sie scheiterte. Die Gleichstellung war in sozialen und kulturellen Fragen weit fortgeschritten, doch weibliche Cops rannten immer noch hinterher.
Nicht im Traum hatte sie damit gerechnet, dass ihre Rückkehr zur Polizei sie so unter Strom setzen würde. Sami musste ab sofort unglaublichen Stress bewältigen â nicht nur als Mordermittlerin, sondern auch in ihrem Privatleben. Sie hatte ständig Aleta im Hinterkopf, und wegen der Gesundheit ihrer Mutter war sie tief besorgt. Und natürlich fehlte ihr nachts, wenn sie ins Bett kroch, Al an ihrer Seite.
Sie lieà den Motor an und war bereit, zum Revier zurückzufahren.
Es ist an der Zeit, wieder ein Cop zu sein.
Gerade als sie den Gang einlegen wollte, klingelte ihr Handy.
»Hi, Detective Rizzo. Hier ist Maggie Fox. Doktor Templeton hat gerade das Labor verlassen. Haben Sie jetzt Zeit?«
»Es passt sehr gut. Hat er irgendwelche Einblicke in das chirurgische Vorgehen geben können?«
»Nur dass es eine Technik gibt, die Maze-Operation, mit der eine Krankheit behandelt wird, die sich Vorhofflimmern nennt, abgekürzt auch als A-Fib bezeichnet. Und die Schnitte liegen genau in dem Bereich des Herzens, wo dieser Eingriff vorgenommen wird.«
»Was ist A-Fib genau?«
»Eine spezielle Form der Arrhythmie, die im Allgemeinen mit einem schnellen Herzschlag oder dem Zittern der oberen Herzkammern in Verbindung gebracht wird. Es handelt sich dabei um eine Fehlfunktion des elektrischen Reizleitungssystems des Herzens. Mit der Maze-Operation ist man in etwa achtzig Prozent der Fälle erfolgreich.«
»Ich begreife das nicht«, sagte Sami. »Haben alle Opfer dieses A-Fib gehabt?«
»Das ist höchst unwahrscheinlich. Wir können uns einen Gerichtsbeschluss besorgen, um an die Krankenakten zu kommen, um zu überprüfen, ob bei einem der vier Opfer A-Fib vorgelegen hat. Aber ich bezweifle das ganz stark.«
»Wieso?«
»Weil dieses Leiden normalerweise bei Menschen vorkommt, die fünfzig und älter sind. Ausnahmen wird es geben, aber das ist die Norm.«
»Was hatte Doktor Templeton zu den Eingriffen des Täters zu sagen, die er an den anderen Organen der Opfer vorgenommen hat?«
»Dazu fiel ihm keine logische Erklärung ein.«
»Gibt es denn überhaupt irgendetwas Logisches im Zusammenhang mit diesem Typen?«
»Eines allerdings macht mich wirklich stutzig«, sagte Maggie. »Es scheint offensichtlich, dass der Täter die Opfer wiederbelebte und dabei auch einen Defibrillator einsetzte. Was auch immer sein Motiv sein mag, es sieht so aus, als ob er versucht, die Opfer so lange wie möglich am Leben zu lassen.«
»Aber warum?«
»Das, Detective, ist die Eine-Million-Dollar-Frage.«
23    Privatdetektiv Peter Spencer, ein Mann, der auf zwielichtige Beschattungen und fragwürdige Hintergrundchecks spezialisiert war, saà in seinem kleinen Büro und kaute an einer kalten Zigarre. Er zog den Umschlag aus seiner Innentasche, riss ihn auf und schüttete den Stapel Hundert-Dollar-Noten auf seinen Schreibtisch. Oh, wie sehr er doch Ben Franklin liebte.
Es hatte eine Zeit gegeben, als Peter J. Spencer III . eine vornehme Suite oben auf einem Geschäftsgebäude bewohnte und zehn Mitarbeiter beschäftigte. Das war bevor seine Frau die Scheidung einreichte und ihm fast alles auÃer seiner Unterwäsche nahm. In Kalifornien galt, zumindest rein theoretisch, die Gütergemeinschaft, sofern man sich nicht den richtigen Anwalt besorgte. Und genau das hatte Helen getan. Sie hatte dem Klischee »Jemanden bis aufs Hemd ausziehen« neue Bedeutung verliehen.
Als sein Geschäft zusammenbrach, entschied er, dass er mit zwielichtigen Klienten mehr Geld machen könnte. WarÂum? Weil er sein Honorar lächerlich weit hoch ansetzen konnte. Und die meisten würden alles dafür bezahlen, um das zu bekommen, was ihnen vorschwebte. Doch er fand am erstaunlichsten, dass fast alle seine Klienten reich waren. Nicht reich im Sinne von ein
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