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Keine große Affäre

Keine große Affäre

Titel: Keine große Affäre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Imogen Parker
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brach in Tränen
aus. Sie hatte Neils Schweigen und seine Launen zu einem Stoff aus Betrug und
Desillusion gewoben, dabei hatte er nur ein Überraschungsgeschenk für sie
geplant! Sie wischte sich Augen und Nase mit dem Ärmel ab und erinnerte sich
beschämt an die vielen Male, die sie ihn angeschnauzt oder sich von seinen
Liebesbezeugungen abgewandt hatte. Noch an diesem Weihnachtsmorgen war sie von
seinem Geschenk nicht gerade überwältigt gewesen. Sie würde es wieder
gutmachen, versprach sie im stillen, ließ den Motor wieder an und fuhr nach
Hause.
     
    »Das Mittagessen ist in einer halben
Stunde fertig«, verkündete Margaret. »Warum geht ihr zwei nicht noch ein
bißchen spazieren und holt euch Appetit. Benedict und ich kommen sehr gut
allein zurecht.«
    Sie blickte auf ihren Enkel, der
vollkommen aufrecht auf dem pfirsichfarbenen und nilgrünen chinesischen Teppich
saß. Er lächelte sie an. Er war eindeutig stolz auf diese neue Fähigkeit. Dann
kippte er zur Seite.
    Margaret bückte sich und setzte ihn
mit ein paar pfirsichfarbenen Damastsofakissen wieder auf. Den Aktivwürfel, den
sie ihm gekauft hatte, legte sie neben ihn. Sie war wild entschlossen, daß er
sein Lieblingsgeschenk würde. Er schaute weg und griff statt dessen nach dem
Fisher-Price-Handy.
    »Ganz die Mutter«, kommentierte
Stephen und nahm Alisons Hand.
    »Komm, Benedikt«, drängte Margaret
ihn. »Schau, wenn man hier drückt, quiekt es...«
    Alison gefiel der Widerstand ihres
Sohnes gegen die Überredungskünste seiner Großmutter. Sie lächelte ihm
ermutigend zu und winkte zum Abschied, als sie ihre Mäntel überzogen und aus
dem Haus gingen.
    »Ist dir aufgefallen, daß sie ihn
niemals Ben nennt?« sagte sie zu Stephen, als sie die Kiesauffahrt hinunter zu
der kleinen, privaten Straße gingen, die zum Meer führte. »Sie findet es
ordinär, Namen abzukürzen. Wenn sie jemand Maggie nannte, war das für sie immer
ein eindeutiges Zeichen seiner Herkunft... Das war natürlich noch vor Thatcher.
Sie fand es wohl nicht mehr ganz so schlimm, als ihre Heldin es tolerierte.«
    Sie erinnerte sich daran, wie Margaret
leicht die Nase gerümpft hatte, als Neil sie zu einer der seltenen
Gelegenheiten, zu denen er bei ihnen zu Hause zum Tee eingeladen gewesen war,
Ally genannt hatte.
    »Ehrlich gesagt, hat es mir auch nie
gefallen, Steve genannt zu werden«, antwortete ihr Mann. »In meiner Klasse gab
es drei Steves. Sie haben mich für einen Snob gehalten, wenn ich darauf
bestand, mit vollem Namen angeredet zu werden.«
    Alison hatte sich ihn noch nie als
Schüler vorstellen können. Er schien so erwachsen, und da seine Eltern, lange
bevor sie ihn getroffen hatte, bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen
waren, hatte sie auch keine Photos auf dem Kaminsims gesehen. Bei ihrer Mutter
war über dem Gasfeuer mit dem Kohleneffekt ihre gesamte Jugend dokumentiert,
ebenso wie die verschiedenen Mädchenfrisuren der Sechziger und Siebziger Jahre.
    Sie wußte, daß er die Schule gehaßt
hatte und gehänselt worden war, weil er an Asthma gelitten hatte. Viele Leute,
die als Kind krank gewesen waren, wurden Ärzte, hatte er ihr einmal erzählt.
    »Um anderen Leid zu ersparen?« hatte
sie gefragt. »Vielleicht sogar, um ihnen denselben Schmerz zuzufügen«, hatte er
ehrlich wie immer gesagt.
    Als sie über Nachwuchs gesprochen
hatten, war seine einzige Bedingung gewesen, daß sie ihr Kind nie ins Internat
schicken würden, und an seinem bekümmerten Gesicht hatte sie den Schmerz
ablesen können, den er bei dem Gedanken immer noch empfand.
    Zwischen den hohen Gartenzäunen der
letzten Häuserreihe in der Siedlung und dem Kieselstrand war ein Stück Rasen,
so breit wie ein halber Acker. Dort gingen sie entlang. Die struppigen Büsche
hinter den klapprigen Holzhütten boten ihnen Schutz vor der vollen Wucht des Windes,
der vom Meer herwehte.
    »Das sollten wir öfter machen«,
bemerkte Stephen, hakte sich bei ihr ein und steckte seine eiskalte Hand in
ihre Manteltasche.
    »Ans Meer fahren? Ja, ich liebe es.«
    »Ich meinte eigentlich, deine Mutter
besuchen«, sagte er.
    Sie verzog das Gesicht.
    »Sie wird langsam alt«, argumentierte
er geduldig. »Es ist gut für sie, ihren Enkel zu sehen. Er ist schließlich der
einzige.«
    Zum ersten Mal kam Alison der Gedanke,
daß es wahrscheinlich eine schlechte Idee war, nur ein Kind zu haben. Der
Druck, der auf einem Einzelkind lastete, konnte niederschmetternd sein. Als sie
klein war, hatte sie sich Geschwister

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