Keine große Affäre
probefahren, die er repariert hatte,
aber er hatte Cheryl gern zur Unterstützung dabei.
»Du bist ja schwanger!« sagte Lia, als
sie ihr den Mantel abnahm.
»Ja, inzwischen sieht man’s auch«,
sagte Cheryl. »Hat Neil es dir nicht erzählt?«
»Nein... Also wirklich, Neil«,
schimpfte sie mit ihm.
»Tschuldigung«, sagte er und ließ sich
nach der Anstrengung, aufzustehen und an die Tür zu gehen, wieder in den Sessel
fallen. »Hab ich ganz vergessen.«
»Männer!« sagte Cheryl, folgte Lia in
die Küche und bückte sich mühevoll, um den Truthahn im Ofen zu bewundern.
»Trinkst du Alkohol?« fragte Lia, die
einen glänzend blauen Karton öffnete und eine Flasche Harvey’s Bristol Cream
herauszog.
»Na ja, einen winzigen Schluck. Hey,
laß uns eine Weile hierbleiben, nur wir zwei Mädels... Entschuldige, Anouska,
nur wir drei Mädels«, korrigierte sie sich selbst.
»Gute Idee«, sagte Lia und setzte
Anouska in den Kinderwagen, der in der Küche stand, damit das Baby ihr von
einem sicheren Platz aus bei der Arbeit Zusehen konnte. Sie wünschte, sie
könnten sich einen Laufstall mit Netzen an den Seiten leisten, so knallbunt wie
Alisons und Stephens, der sich so sehr mit den gedämpften Farben ihrer
Küchenausstattung biß. Eines der vielen Dinge, die einem keiner sagte, bevor
man ein Baby bekam, war, daß man es irgendwo hintun mußte. Anouska würde bald
zu krabbeln anfangen, und sie hatte keine Ahnung, was sie dann tun sollte,
erzählte sie Cheryl.
»Bis dahin ist Sommer«, sagte Cheryl.
»Dann kannst du sie auf den Rasen setzen und sie von hier aus beobachten. Euer
Garten ist perfekt dafür, anders als unser Schrotthaufen.«
Lia lächelte sie an und nippte an
ihrem sirupsüßen Getränk, das so durch und durch weihnachtlich schmeckte.
»Wie kommt ihr überhaupt so zurecht?«
fragte Cheryl. Sie redete nie lange um den heißen Brei herum.
»Gut.« Lia starrte weiter in den
Garten hinaus.
»Es ist nur, wir haben euch seit
Ewigkeiten nicht mehr gesehen, und...« Cheryl zögerte. »Na ja, neulich schien
Neil ein bißchen fertig zu sein...«
»Am Telephon?« fragte Lia erstaunt.
»Nein, als er in dieser Kältewelle bei
uns war. Ich weiß noch, wie ich dachte, hoffentlich kommt er bei diesem Eis
heil nach Hause...«
»Ich wußte gar nicht, daß er bei euch
war. Wann denn?«
Cheryl dachte nach. »Ich weiß.
Natürlich, es war Guy-Fawkes-Nacht. Die Jungs waren draußen auf der Wiese und
haben beim Feuer geholfen.«
Da war Neil also an dem Abend gewesen,
als er so energie-geladen zurückgekommen war. Warum hatte er bloß gelogen?
fragte sich Lia.
»Alles ist in bester Ordnung«, sagte
Lia, der ein Stein vom Herzen fiel. »Wir haben unsere Höhen und Tiefen... Aber
das hat doch jeder, oder?«
»Das mußt du mir grad sagen...«,
antwortete Cheryl lachend, und dann klopfte es wieder an der Tür. »Das muß Pete
sein.« Sie standen auf, um ihn zu begrüßen. Seine massige Gestalt füllte den
Türrahmen aus, und sein Kopf drückte den Mistelzweig an den Sturz.
»Frohe Weihnachten!« sagte er. »Ähm,
Lia, Neil hat was für dich...«
Sie hörte Geschenkpapier rascheln, und
als sie ins Wohnzimmer kam, überreichte Neil ihr ein kleines, verdrehtes
Stückchen des rotgoldenen Papiers, mit dem sie sein Geschenk eingepackt hatte.
Sie nahm es und zwirbelte es auf.
Darin war ein Autoschlüssel. Zuerst
wußte sie nicht, was los war, doch dann sah sie Pete aus dem Fenster schauen.
Vor ihrem Haus parkte ein roter Peugeot 205.
»Es ist kein neuer, aber er fährt...
Diese Dieselmotoren sind großartig«, informierte Pete alle im Raum, aber Lia
hörte es nicht. Sie war auf die Straße gestürzt und probierte den Schlüssel. Er
paßte. Sie öffnete die Tür, stieg ein, startete die Zündung und fuhr los.
Auf den Straßen herrschte kaum
Verkehr. Sie bog immer wieder ab, erinnerte sich an den Spiegel, suchte den
Blinker, probierte das Gaspedal aus. Das letzte Mal war sie in Portugal Auto
gefahren. Sie ertappte sich dabei, wie sie bei jedem Einkuppeln mit der rechten
Hand nach dem Schaltknüppel griff, korrigierte sich jedoch schnell. Sie fuhr
hinauf nach Richmond Hill und hupte vor Gingers Haus. Dann fiel ihr ein, daß
Ginger aufs Land gefahren war. Sie fuhr weiter nach Richmond Deer Park. Es gab
dort tatsächlich Hirsche! Sie hatte gedacht, das sei nur ein alter Name. Sie
fuhr langsamer, als ein kleines, verschrecktes Rudel vor ihr über die Straße
lief. Dann hielt sie am Straßenrand, sank gegen das Lenkrad und
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