Keine große Affäre
an«,
sagte Ginger resigniert.
»Ich glaube schon«, sagte Alison und
hoffte, daß sie recht hatte. »Aber wahrscheinlich nicht vor Weihnachten, also
sei nicht allzu unglücklich«, fügte sie hinzu, als sie an ihre Zeit als Single
zurückdachte, die sie zum großen Teil damit verbracht hatte, vor dem hartnäckig
schweigenden Telephon zu sitzen und es durch reine Willenskraft zum Klingeln zu
bringen.
»Das kann ich dir nicht versprechen«,
sagte Ginger überraschend fröhlich. »Ich feiere mit meiner Familie auf dem
Land, und Daddy hat seit der Sendung nicht mehr mit mir gesprochen.«
»Weihnachten ist immer schrecklich«,
stimmte Alison zu. »Bisher habe ich es erst einmal genossen, und da war ich
verreist. Das war, kurz nachdem ich Stephen kennengelernt hatte. Wir sind auf
die Seychellen geflüchtet, und selbst da habe ich mich am ersten Weihnachtstag
die meiste Zeit schuldig gefühlt, weil ich kein internationales Telephon finden
konnte, um meine Eltern anzurufen.«
Ginger lachte. »Na gut«, seufzte sie.
»Trotzdem viel Spaß.«
»Ich werde mir Mühe geben«, sagte
Alison und fügte ganz spontan hinzu: »Was machst du eigentlich Silvester?«
»Pic und Ed geben eine Dinner-Party,
warum?«
»Schon gut.«
»Hey, ich dachte, du gehst zu Lia«,
sagte Ginger.
»Vielleicht«, sagte sie unverbindlich.
Die Vorstellung, daß Lia und Ginger schon darüber gesprochen hatten, machte sie
zornig. »Gib Guy einen dicken Kuß von mir«, sagte sie und legte auf.
Es war der erste Weihnachtstag, und
alles war, wie es sein sollte. Der Truthahn war im Ofen, der Rosenkohl geschält
und gewaschen, und die Kartoffeln und die Pastinaken hatten gerade zu kochen
angefangen. Lia drehte das Gas aus und goß das Wasser ab. Sie schüttelte das
Sieb kräftig, ließ das Gemüse vorsichtig auf ein Kuchenblech mit heißem Fett
fallen und wendete es, damit es von allen Seiten mit Fett überzogen war. Sie schob
das Blech in den Ofen und zählte im stillen an den Fingern ab, was sie noch
erledigen mußte: Tisch decken, Sauce, Brottunke, Anouska füttern und ihr das
hübsche Kleidchen mit den Schottenkaros anziehen, das sie am Abend zuvor in
Weihnachtspapier eingewickelt und an diesem Morgen aufgeregt wieder ausgepackt
hatte. Neil hatte zum ersten Mal in diesem Jahr im Kamin ein Holzfeuer gemacht
und war dann davor eingeschlafen. Neben ihm lag der neue Kricketpullover, den
sie ihm geschenkt hatte, und seine Hand umschloß riskanterweise noch immer eine
halbvolle Bierdose. Sie räumte so leise wie möglich um ihn herum auf und nahm
sein Geschenk für sie mit nach oben. Sie versuchte die leichte Enttäuschung zu
unterdrücken, die sie beim Auspacken empfunden hatte. Wenn man zu Weihnachten
schon Unterwäsche bekommen mußte, dann waren Spitzenhemdhöschen aus
burgunderroter Seide wahrscheinlich das Hübscheste, was man kriegen konnte,
aber es war ein so phantasieloses Geschenk.
Aber alles andere war perfekt. Der
Baum reichte fast bis zur Decke und war mit funkelnden weißen Lichtern,
Silberkugeln und kleinem Holzspielzeug geschmückt, das sie am Tag zuvor zum
halben Preis ergattert hatte. Draußen war eine bunte Lichterkette drapiert, und
über der Küchentür hing ein Mistelzweig. Es war das erste Weihnachtsfest, das
sie mit einer richtigen Familie feierte.
Sie band Anouska ein passendes
kariertes Band um den Kopf, um die Stellen zu kaschieren, an denen ihre Haare
sehr dünn waren. Bei der Geburt hatte sie flaumiges Haar gehabt, aber das meiste
davon war inzwischen verschwunden. Darunter wuchs zwar neues nach, doch im
Moment sah es fürchterlich aus. Da mußte sie Neil recht geben. Aber in ihrem
Weihnachtskleidchen und der weißen Strumpfhose sah sie wirklich süß aus, dachte
Lia und küßte ihr Baby auf die Nase. Sie wurde mit einem zahnlosen Lächeln
belohnt.
Es klopfte laut, und als Lia aus dem
Schlafzimmerfenster schaute, sah sie unten Cheryl stehen, die in der einen Hand
einen Weihnachtsstern und in der anderen eine Tragetasche mit Geschenken hielt.
Sie fragte sich, warum sie so weit weg geparkt hatte. Sie hob Anouska hoch und
nahm sie mit nach unten.
»Wo ist Pete?« fragte Lia und umarmte
ihre Schwägerin.
»Er kommt später«, sagte Cheryl und
schaute sie nicht an, als sie ganz bedächtig Päckchen aus der Tasche zog. »Ich
leg das erstmal alles unter den Baum.«
Lia bemerkte, daß sie und Neil sich
komisch ansahen, dachte sich aber nichts dabei. Pete und Cheryl waren schon oft
getrennt angekommen. Er mußte oft Autos
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