Keine große Affäre
den Schlüssel noch einmal in der
Zündung. Nichts. Jetzt saß sie fest. An Neujahr war es unmöglich, in den frühen
Morgenstunden ein Minicar zu bekommen.
Als sie wieder hineinging, waren sie
beide unten, und Neil wollte gerade die Champagnerflasche öffnen, die sie zu
ihrem Weihnachtstreffen mitgebracht hatte.
»Meine Batterie ist leer«, verkündete
sie.
»Ich fahre dich«, bot er ihr sofort an
und stellte die Flasche ab. Ihm lag offensichtlich genausoviel daran wie ihr,
daß sie so schnell wie möglich verschwand.
Sie hatte es gar nicht richtig
registriert, als Lia ihr erzählt hatte, daß sie jetzt ein Auto hatten.
»Oh, gut, wenn du meinst...«, stimmte
sie hastig zu. »Ich hole nur schnell Ben.«
Neil fuhr rasant. Sie hatte es gewußt.
Sie erinnerte sich an den Tag, als er
die Fahrprüfung bestanden hatte. Er hatte im Hillman Imp seines Dads gesessen
und gehupt, und sie war aus dem Haus gerannt und hatte ihm gratuliert. Sie
waren mit offenen Fenstern zu einem Pub gefahren, der meilenweit entfernt war,
und hatten Capital Radio gehört, einen Sender, den sie nur mit Rauschen
empfangen konnten. Sie saßen draußen, an dem Tisch, der dem Parkplatz am
nächsten war, und tranken aus Biergläsern Britvic Orange mit Limonade. Seine
Augen schweiften immer wieder zum Auto, als könnte er nicht glauben, daß er
dafür verantwortlich war. Sie hatte ihm einen Schlüsselring geschenkt, der an
einem ovalen, schwarzen Lederstück mit einer kleinen Ferrarimarke hing. Auf der
Rückseite war in goldenen Buchstaben »Eines Tages!« aufgeprägt. Stolz hatte er
es immer wieder in der Handfläche umgedreht und dabei gelächelt.
»Irgendwelche guten Vorsätze?« fragte
er höflich, um das Schweigen zwischen ihnen zu brechen, als sie in ihre Straße
einbogen.
»Ja«, antwortete sie und sah ihn von
der Seite an. »Nicht mehr an dich zu denken und daran, was hätte sein können.«
Sie bemühte sich, es wie einen Scherz klingen zu lassen.
Seine Miene verriet nichts. Sie war
sich nicht einmal sicher, ob er es gehört hatte.
Ruhig fuhr er in ihre Einfahrt und
stellte den Motor ab.
»Ally, bitte nicht...«, sagte er und
starrte auf ihre Hauswand. Er seufzte.
Sie spürte, wie seine Hand in der
Dunkelheit unter dem Armaturenbrett nach ihrer tastete. Als ihre Finger sich
berührten, war es, als würden sich all der Schmerz und all das Glück, das sie
je empfunden hatte, in einer großen Welle sammeln, die jetzt über ihr zusammenbrach
und sie mit Gefühlen überschwemmte.
Er bewegte sich, machte nur eine
winzig kleine Bewegung zu ihr hin, und sie sank zitternd an seine Brust. Sein
weicher, kratzender Shetland-Pullover roch nach Bier und Rauch und nach einem
Aftershave, das sie nicht kannte. Vorsichtig strich er ihr wie einem weinenden
Kind das Haar aus dem nassen Gesicht.
»Es tut mir leid«, sagte sie.
Er sagte nichts.
Sie wußte nicht, wie lange sie weinte.
Als sie wieder ruhiger atmete,
schnüffelte sie noch ein paarmal an seinem Pulli, um sich den Geruch
einzuprägen. Dann rückte sie von ihm ab. Doch als sie den Kopf hob, um sich
lächelnd zu verabschieden, wurde sein Griff um ihre Schultern fester.
Er senkte den Kopf, und seine Lippen
fanden ihre so leicht und selbstverständlich, wie sie es immer getan hatten.
Als sein Mund sich gegen ihren preßte, fiel ihr Kopf gegen den Sitz wie der
einer Flickenpuppe. Seine Zunge lockte, fand die zarteste, empfindlichste
Stelle auf der Innenseite ihrer Lippen und hielt dort inne. Er schmeckte sie, seufzte
und drängte fester und dringlicher hinein.
Sie öffnete die Augen und stellte
fest, daß seine geschlossen waren. Er sah konzentriert aus, als würde er in ihr
nach Erinnerungen forschen. Ihr ganzer Körper schmolz dahin. Dann zog er den
Kopf zurück und sah sie an.
»Komm mit rein«, flüsterte sie, und
versuchte jeden Zentimeter ihres Körpers gegen seinen fließen zu lassen.
»Nein«, sagte er. Unwillkürlich setzte
er sich auf und ließ den Motor an, als ob ihre Worte ihn aus einem Traum
gerissen hätten.
Seine Augen flehten sie an, stark zu
sein. Zu gehen. Und zwar sofort.
Sie öffnete die Tür, stieg aus und
verrenkte sich in ihrer Hast, Ben mit seinem Sitz vom Rücksitz zu heben, den
Rücken.
In einer Abgaswolke setzte er
rückwärts auf die Straße zurück und donnerte davon.
Kapitel 7
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Januar
Der Anruf war so kurz, wie sie
erwartet hatte, wenn sie auch nicht damit gerechnet hatte, daß er sich ihre
Nummer in der Arbeit besorgen und dort
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