Keine große Affäre
Pfundnote in Münzen wechseln und
ging zum Automaten. Er sah auf die Uhr. Auch er wollte im neuen Jahr das
Rauchen aufgeben, aber bis dahin war wahrscheinlich noch Zeit, zwei oder drei
durchzuziehen.
Seine Freunde tauschten gute Vorsätze
aus. Weniger trinken, keinen Alkohol mehr, Joggen, das Trainingsfahrrad von
Weihnachten vor zwei Jahren auch benutzen.
»Mit Rauchen aufhören«, sagte Neil und
bot allen die volle Packung Marlboro an.
Sie lachten.
»Wie oft hast du das an Silvester
schon vorgehabt?«
»Ach, ungefähr seit fünfundzwanzig
Jahren.« Ihm wurde bewußt, daß er mit fünfzehn angefangen hatte, sich
Zigaretten zu kaufen, und war erschreckt, als er ausrechnete, daß er mehr als
die Hälfte seines Lebens mit Rauchen verbracht hatte.
Außerdem wurde ihm bewußt, daß er in
den letzten fünfundzwanzig Jahren fast alle Silvesterabende in Sportclubs wie
diesem verbracht hatte. Er hatte getrunken und geraucht, dieselben guten
Vorsätze gehabt und dieselben Gespräche geführt. Die Namen der Kricketspieler
und Fußballer, über die sie sprachen, änderten sich zwar, aber sonst nicht
viel. Und in diesem Jahr würde er vierzig. Es war ein ziemlich deprimierender
Gedanke.
Morgen wird es anders sein, versprach
er sich selbst, als er durch die leeren Straßen fuhr. Ein neues Jahr und ein
neues Leben. Vielleicht hatten Lia und er einen Fehler gemacht, so schnell ein
Kind zu bekommen. Vielleicht hätten sie sich zuerst besser kennenlernen müssen.
Aber es war passiert. Damals schien es richtig zu sein, und jetzt hatten sie es
am Hals. Es würde nie mehr so werden wie vorher, also konnten sie genausogut
das Beste draus machen.
Es war ein Film über zwei Leute, die
sich kennenlernen, als sie sehr jung sind, und sich später wiedertreffen und
ineinander verlieben. Nein, nicht wirklich, dachte Alison und nahm ein
Papiertaschentuch aus dem Karton, den Lia ihr hingehalten hatte. In
Wirklichkeit ging es darum, mit dem richtigen Menschen zusammen zu sein und es
einfach nicht wahrhaben zu wollen. Frank Sinatra sang gerade »It Had to be
You«, und sie wünschte, sie wäre in New York und könnte ins Stadtzentrum rennen
— genau wie Billy Crystal gerade in den Norden der Stadt rannte — zu dem
Restaurant, in dem Stephen gerade aß, und hereinplatzen und ihm in die Arme
fallen.
»Das war klasse«, sagte sie und
lächelte unter Tränen.
Sie sah Lia von der Seite an und
fragte sich, warum auch sie weinte. Vielleicht deutete jeder etwas anderes
hinein, oder vielleicht mußte einfach jeder dabei heulen, genau wie jeder über
die Szene mit dem vorgetäuschten Orgasmus lachen mußte. Deshalb war es
schließlich auch so ein guter Film.
Lia schaltete schnell zu BBC i, gerade
rechtzeitig, um noch die letzten drei Glockenschläge von Big Ben mitzubekommen.
Im Studio erklang Jubel, und der Moderator fing an, »Auld Lang Syne« zu singen,
genau wie die Leute im Film. Lia und Alison sahen sich leicht verlegen an und
standen vom Sofa auf. Sie hielten sich an den Händen und sangen mit. Als das
Lied zu Ende war, lachten sie beide.
»Frohes neues Jahr!« Sie küßten sich
gegenseitig auf die Wange.
Dann ging Lia nach oben, um nach den
Babys zu sehen.
Alison ließ sich wieder auf dem Sofa
nieder. Sie sah mit einem Auge den schottischen Tänzen im Fernsehen zu und
schreckte auf, als sie hörte, wie Neil die Tür aufschloß.
»Du hast gerade das Läuten verpaßt«,
informierte sie ihn, als er ins Zimmer kam. »Frohes neues Jahr!«
»Ja, Frohes neues Jahr!«
Er hatte eindeutig nicht damit
gerechnet, daß sie noch da war.
Zögernd beugte er sich herunter. Sie
wandten sich gleichzeitig das Gesicht zu, so daß der Kuß, der für ihre Wange
bestimmt war, peinlicherweise auf ihrem Mundwinkel landete. Er zuckte zurück,
und ihre Lippen fühlten sich an, als sei sie von einer Biene gestochen worden.
»Lia ist oben«, sagte sie zu ihm und
starrte entschlossen auf den Fernseher.
Er nahm immer zwei Stufen auf einmal,
und sie saß wie festgewachsen auf dem Sofa und fühlte sich vollkommen hilflos,
als sie versuchte, nicht mit anzuhören, wie sie sich über ihr umarmten. Sie
beschloß, daß es das Beste wäre, den Motor Warmlaufen zu lassen und mit Ben
nach Hause zu fahren, sobald sie wieder herunterkämen. Sie ging nach draußen,
setzte sich ins Auto und steckte den Schlüssel in die Zündung. Die Kontrollampe
leuchtete rot und zeigte an, daß die Batterie völlig leer war. Sie schlug mit
den Handflächen gegen das Lenkrad und drehte
Weitere Kostenlose Bücher