Keine große Affäre
und
Basilikum zu kaufen, das in einem Topf wuchs. Oder sie könnte auf einen Sprung
in der Wohnung vorbeischauen, nur um zu sehen... Nein. Sie würde bloß
enttäuscht sein.
Sie ging zur Haltestelle und hoffte,
daß sofort ein Bus kommen und sie in die entgegengesetzte Richtung entführen
würde. Es kam keiner. Zwei leere Taxis fuhren vorbei, bevor sie schwach wurde.
Dann, als sie sich entschlossen hatte, das nächste zu nehmen, kam keines mehr.
Wenn in den nächsten fünf Minuten keins kommt, dann soll es nicht sein, sagte
sie zu sich selbst und sah auf die Uhr. Als sie wieder aufblickte, tauchte ein
schwarzes Taxi auf, dessen orangefarbenes Licht leuchtete, und ihr Arm schoß in
die Luft. Das war ein Zeichen, dachte sie, sprang in die Wohnung und stellte
die Heizung an. Aber dort war keine Post. Nur ein Flugblatt, das Pizza zu
Schleuderpreisen anbot, ließ ihr Herz einen Moment aussetzen, weil sie es für
eine Karte hielt. Sie hob sogar eine Ecke der Fußmatte hoch, um sicherzugehen,
daß darunter nichts verborgen war. Nichts außer Staub.
Geschieht mir recht, dachte sie, und
kontrollierte schnell die Zimmer. Ihr Blick verweilte wehmütig auf dem Bett,
auf dem Federbett mit dem zitronengelb-weißkarierten Bezug, das
zurückgeschlagen war, so wie sie es verlassen hatten. Sie sprang hinein, kniete
sich hin und beugte sich zum weißen Spannbettuch hinunter. Sie vergrub die Nase
darin und atmete ihren schwachen Sexgeruch und den leichten Muff der wenig
benutzten Matratze ein. Sie würde sich verspäten, dachte sie und riß sich
zusammen. Sie stand auf und löschte das Licht. In der Dunkelheit fiel ihr zum
ersten Mal auf, daß der Anrufbeantworter blinkte. Sie hatte ihn vor ein paar
Wochen gekauft, so daß sie auf den letzten Drücker Nachrichten hinterlassen
konnten, wenn sie verhindert waren. Ein paar Sekunden lang sah sie zu, die Hand
noch auf dem Lichtschalter. Es war eine Nachricht darauf. Wahrscheinlich einer
dieser Anrufer, die einem einen unentgeltlichen Kostenvoranschlag für doppelt
verglaste Fenster anboten, sagte sie sich und versuchte, der Anziehungskraft
des winzigen, roten Lichtes zu widerstehen, das im Dunkeln pulsierte.
Das laute, elektronische Piepen ließ
sie zusammenfahren. In den ersten paar Sekunden hörte man gar nichts, nur
fernen Verkehrslärm. Danach ein tiefes Luftholen, verlegenes Räuspern, und dann
flüsterte seine Stimme »Also, los geht’s«, und er fing an zu singen, sehr
leise, als ob er Angst hätte, daß jemand mithört. Oh, will you never let me be? Eine Pause, dann wieder seine Stimme, die jetzt lauter und sicherer wurde:
Oh, will you never set me free?
The ties that bound us are still around us,
There’s no escape that I can see...
Er sang das Lied von Anfang bis Ende
und hörte dann abrupt auf. »Das war’s. Tschüs dann.«
Der Anrufbeantworter klickte, summte
und piepte. Unfähig zu glauben, was sie gehört hatte, drückte sie noch einmal
auf Play. Wieder der gedämpfte Verkehrslärm... und dann seine Stimme. Sie
schloß die Augen und stellte sich vor, er wäre bei ihr, und er fing an zu
singen...
»Das war’s. Tschüs dann.«
Er mußte eine Telephonzelle benutzt
haben, dachte sie und rief 1471 an. Die Nachricht bestätigte, daß der Anrufer
um dreizehn Uhr siebzehn von einem öffentlichen Telephon aus angerufen hatte.
In seiner Mittagspause. Sie spekulierte, ob er vergessen hatte, was für ein Tag
heute war, oder ob er versucht hatte, es zu ignorieren, bis mittags
durchgehalten und schließlich kapituliert hatte, oder ob er vielleicht doch
ihre Botschaft in der Zeitung gesehen haben konnte. Er hatte ihr Lied gesungen,
und sie hatte vollkommen vergessen, daß er singen konnte.
Wie seltsam ein Gedächtnis
funktionierte, dachte sie, legte sich aufs Bett und hörte sich die Nachricht
noch einmal an. Bevor er wieder in ihr Leben getreten war, hatte sie, wenn sie
überhaupt an ihn gedacht hatte, das Bild im Kopf gehabt, wie er am Fuße des
Hügels stand und auf sie wartete. Das war die dominierende Erinnerung an ihn
gewesen: seine leicht verlegene Haltung, weißes Hemd, verschränkte Arme, und
wie ein Lächeln sein Gesicht erhellte, als sie näher kam. Sie hatte ihn nicht
hören können oder riechen oder sich daran erinnern können, wie seine Haut sich
anfühlte. Es war, als wären ihr nach und nach alle Sinneseindrücke
zurückgegeben worden: seine sanfte, nordenglische Stimme, die beim Wiedersehen
ihren Ohnmachtsanfall ausgelöst hatte; sein Geruch bei ihrem
Weitere Kostenlose Bücher