Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Keine große Affäre

Keine große Affäre

Titel: Keine große Affäre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Imogen Parker
Vom Netzwerk:
endlich auszusprechen, als ob ein Bann gebrochen wäre.
    Sie deutete auf das Baby, das in der
Korbwiege neben dem Bett schlief.
    Neil machte einen vorsichtigen Schritt
ins Zimmer und beugte sich nach vorne, um besser sehen zu können.
    »Es ist ein Junge«, informierte sie
ihn.
    »Er ist groß«, antwortete Neil. »Er
sieht aus wie ein richtiges Baby. Unseres ist nur fünfeinhalb Pfund schwer. Wie
lang bist du schon hier?«
    »Das ist mein vierter Tag. Ich hatte
einen Kaiserschnitt, und die Wunde heilt nicht besonders gut«, erklärte sie und
war erfreut, als sie in seinem Gesicht ein mitfühlendes, schmerzliches Zucken
sah. »Und Lia?«
    »Letzte Nacht. Vier Stunden lang
Wehen. Ich glaube, wir hatten Glück. Sie sagen, wir können morgen gehen, obwohl
sie sehr klein ist.«
    »Ihr habt ein kleines Mädchen
bekommen! Herzlichen Glückwunsch!«
    »Ja«, sagte er, erinnerte sich dann an
seine gute Erziehung und fügte hinzu: »Gleichfalls.«
    Sie mußte sich gewaltig beherrschen,
nicht wieder loszuweinen.
    »Na ja, ich gehe jetzt besser zurück«,
sagte er unbeholfen.
    «Ja«, sagte sie, und als er sich
abwandte, fügte sie hastig hinzu: »Ich hab’s ihm nicht gesagt. Du ihr auch
nicht, oder?«
    »Das von uns? Ich habe darin keinen
Sinn gesehen«, antwortete er.
    »Genau«, sagte Alison.
    »Genau.« Er ahmte ihren
Mittelklasseakzent nach, und zum ersten Mal nach zwanzig Jahren lächelten sie
sich an.
     
    An diesem Abend gab es einen
phantastischen Sonnenuntergang. Ein lodernder Himmel, der schnell zu Grau
verblaßte und am Horizont nur noch einen Glutstreifen hinterließ, der ein paar
Sekunden lang hell leuchtete und dann verschwand. Die Luft war immer noch heiß,
aber es war erträglich, jetzt wo der Stadtlärm der Sonne gefolgt war und nur
noch das klagende Gurren der Tauben auf einem nahegelegenen Dach und das
Verkehrsgrollen aus der Ferne zurückgelassen hatte.
    »Ich hab gehört, Sie haben Neil
endlich kennengelernt?«
    Alison wachte aus dem Dämmerschlaf
auf. Lia stand in einem langen, weißen Baumwollmorgenrock mit kurzen Ärmeln in
der Tür. Eine Sekunde lang war sie sich nicht sicher, ob sie wirklich mit ihr
gesprochen hatte oder ob sie nur geträumt hatte. Seit dem Nachmittag am Fluß
hatte sie Lia nicht mehr gesehen. Obwohl das erst vor ein paar Wochen gewesen
war, schien es eine Ewigkeit her zu sein. Sozusagen in einem anderen Leben,
dachte Alison mit Blick auf das Baby, das neben ihrem Bett schlief.
    »Hallo«, sagte sie und blinzelte, um
ihre Augen an die Dunkelheit zu gewöhnen. Dann zog sie sich an dem schrägen
Gestell des Krankenhausbettes hoch und fügte hinzu: »Kommen Sie doch herein!«
    Lia schob einen Wagen ins Zimmer.
    »Sie haben doch nichts dagegen, wenn
ich Anouska mitbringe? Sie schläft zwar, aber ich kann sie einfach nicht allein
lassen. Ich nehm sie sogar mit aufs Klo! Ich habe solche Angst, daß sie jemand
klaut.«
    »Nein, natürlich nicht, bringen Sie
sie ruhig herein. Was für ein hübscher Name!« Alison schaltete die Lampe über
ihrem Kopf an.
    »Ich bin so froh, daß Sie das sagen«,
bemerkte Lia, die sich am Fußende von Alisons Bett niederließ. »Wir haben uns
eigentlich noch nicht darauf geeinigt, aber ich glaube, wenn ich es oft genug sage,
überlegt Neil es sich vielleicht anders... Besonders, wenn andere Leute sagen,
daß ihnen der Name gefällt.«
    »Wir haben noch keinen ausgesucht«,
sagte Alison und blickte auf ihr Baby, das zufrieden zu schlafen schien.
    »Neil hat gesagt, es ist ein Junge.«
Lia schaute forschend über das Bett, um ihn eingehend betrachten zu können.
    »Oh, ist der süß! So groß!« rief sie
aus.
    »Ja.«
    »Und Sie hatten einen Kaiserschnitt.
Sie Arme! Deshalb bin ich auch gekommen, um zu fragen, ob Sie irgendwas
brauchen. Ich dachte, es ist sicher schwierig für Sie, auf der Station hin und
her zu laufen.«
    »Ja.« Alison lächelte müde. »Danke«,
fügte sie hinzu.
    Bei dem matten Licht sah Lia sehr
schön aus mit dem langen, welligen Haar, der makellosen Haut und den zarten
Gesichtszügen. Ihre braunen Augen waren vom Schlafmangel riesengroß. Sie
glänzten wie die Augen eines aufgeschreckten Rehs. Sie war dünn und zierlich.
Nur ein paar Stunden nach der Niederkunft war es nur schwer vorstellbar, daß
sie jemals schwanger gewesen war.
    »Ihr kleines Mädchen ist also ein
bißchen zu früh gekommen«, sagte Alison, die sich große Mühe gab, Konversation
zu machen.
    »Ja, aber sie war knapp über
fünfeinhalb Pfund schwer, deshalb mußte sie

Weitere Kostenlose Bücher