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Keine große Affäre

Keine große Affäre

Titel: Keine große Affäre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Imogen Parker
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deine beruflichen
Leistungen zu interessieren als für deine privaten, wenn letztere sicher auch
großartig sind.«
    »Ach, halt doch das Maul!« sagte
Ginger, die seine Aufzieherei plötzlich nicht mehr ertragen konnte.
    »Hast du schlechte Laune. Du
bist aber auch empfindlich heute.«
    »Das ist mein gutes Recht. Ich hab
gerade ein Baby gekriegt, verdammt noch mal!« schrie Ginger, gerade als die
Hebamme hereinkam, um die Atmung des Kindes zu überprüfen.
     
    Alison saß im Bett und weinte lautlos.
Die Tränen rollten ihr übers Gesicht.
    Man hatte sie schließlich durch einen
Notkaiserschnitt von ihrem Sohn entbunden, nachdem sie Stunden in Todesqualen
und panischer Angst verbracht hatte, an Maschinen und Bildschirme
angeschlossen, und jedem unregelmäßigen elektronischen Piepen gelauscht hatte,
überzeugt davon, daß ihr Baby niemals lebendig zur Welt kommen würde. Als sie
aus der Narkose erwachte, deutete Stephen auf die Plexiglasschale, in der ein
Baby schlief, und sie hatte sich als erstes gefragt, ob es wirklich ihres war.
Stephen erstattete ihr über jeden einzelnen Schritt der Operation Bericht, so
detailliert, daß sie sich fragte, ob er sich Notizen gemacht hatte, aber
trotzdem konnte sie nicht recht glauben, daß der wohlgestaltete kleine Junge
aus ihrem Inneren gekommen war.
    Ihre Mutter kam zu Besuch und sagte,
sie sei stolz auf sie, was eigenartig war, denn Alison hatte das Gefühl,
absolut nichts beigetragen zu haben, außer ein Riesentheater zu veranstalten.
Das einzige positive Gefühl, das sie empfinden konnte, war eine Art vage Freude
darüber, daß alle anderen so glücklich über das Baby waren, und als sie keine
Milch produzieren konnte, war sie sehr schnell verzweifelt. Von Zeit zu Zeit
kam eine Hebamme ins Zimmer und legte ihr das Baby an die Brust. Wenn Alison
auf es herabschaute und zusah, wie es herumsuchte, fühlte sie sich völlig
unbeteiligt, bis es mit dem Mund ihre Brustwarze abklemmte, und sein zarter
Gaumen wie ein Messer in das empfindliche Fleisch schnitt. Man informierte sie,
daß der medizinische Eingriff wahrscheinlich ihre Hormone durcheinandergebracht
hatte und daß die Milch schon kommen würde, wenn sie sich erst einmal beruhigt hätte.
Entspannen Sie sich, sagten die Hebammen, wenn sie jedesmal, wenn sich das
immer hungriger werdende Baby festbiß, vor Schmerz das Gesicht verzog.
    Immer wenn Stephen zu Besuch kam,
bestand er darauf, daß sie es noch einmal versuchte. Der Säugling wurde immer
verzweifelter, und ihre Brustwarzen hatten Blasen. Am dritten Morgen, als das
Baby nicht aufhörte zu schreien und sie die Schmerzen und den Krach nicht mehr
ertragen konnte, verlangte sie ein Säuglingsmilchpräparat. Als Stephen kam,
fand er sie im Bett sitzend vor, mit dem dankbaren Wesen im Arm, das zufrieden
aus einer Flasche schlürfte. Trotz allergrößter Bemühungen, sich zu
beherrschen, wurde Stephen weiß vor Wut. Es herrschte eine solche Spannung, daß
es im Zimmer stickig wurde.
    »Was fällt den Hebammen bloß ein?«
sagte er schließlich mit der ganzen Geringschätzung, zu der ein Chefarzt fähig
war.
    »Das war ich«, antwortete Alison. »Ich
habe darum gebeten. Das Baby war am Verhungern. Aber jetzt nicht mehr.«
    Mißbilligend verzog Stephen den Mund.
»Alle wissenschaftlichen Untersuchungen zeigen, daß Stillen viel besser ist...«
Er sprach mit ihr wie mit einer Studentin, die ein Referat versiebt hatte.
    »Schon, aber er hat so geschrien«,
stammelte sie und fühlte sich wie eine totale Versagerin.
     
    Sie hatte Neil ein paarmal vorbeigehen
sehen und sich gefragt, ob er in ihre Richtung schauen würde, aber das hatte er
nicht. Sie wußte, daß Lia sich im selben Krankenhaus angemeldet hatte, aber
erst ein paar Wochen nach ihr. Ihr Baby mußte zu früh gekommen sein, dachte
sie. Das Schicksal schien sie unbedingt zusammenbringen zu wollen, und in der
fremdartigen blaßgrünen Krankenhauswelt schien es auch egal zu sein. Als er
diesmal vorbeikam, rief sie ihn.
    Er stand in der Tür, als wollte er die
Schwelle zu ihrem Privatzimmer nicht überschreiten. Sie schauten sich lange an.
Sein Gesicht war angespannt, fast aufgewühlt, und sie sah, daß er registrierte,
wie unglücklich sie war und daß sie geweint hatte.
    Schließlich sagte er: »Hallo, Ally«,
mit sanfter, ernster Stimme, in der keine Spur von Schuldzuweisung lag, und sie
seufzte erleichtert.
    Niemand hatte sie je Ally genannt,
außer ihm.
    »Hallo, Neil.«
    Es war ein schönes Gefühl, seinen
Namen

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