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Keine große Affäre

Keine große Affäre

Titel: Keine große Affäre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Imogen Parker
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Risiken ein. Seine Wut trieb ihn bis an die äußerste
Gefahrengrenze.
    Als er durch das letzte Dorf vor dem
A1-Kreisel donnerte, sah er ein Kind auf die Straße rennen, das in seinem
Eifer, zu einer Feuerwerksparty auf der anderen Seite zu kommen, nicht auf den
Verkehr achtete. Neil war zu nahe. Als er bremste, schien die Welt sich in
Zeitlupe zu bewegen und stillzustehen. Er wußte, er würde das kleine Mädchen
anfahren. Er riß den Lenker herum und kam schleudernd zum Stehen.
Wundersamerweise behielt er die Kontrolle über die Maschine und konnte gerade
noch ausweichen. Die Mutter kam angestürzt, riß das Kind an sich und
beschimpfte ihn.
    »Demnächst halten Sie sie gefälligst
an der Hand«, schrie er zurück, klopfte sich ab und brauste davon.
    Ungefähr hundert Meter weiter hielt er
wieder an, weil er zu sehr zitterte, um sicher weiterfahren zu können. Er
setzte sich in das überfrierende Gras am Straßenrand und zog eine Schachtel
Zigaretten aus seiner oberen Tasche. Es waren nur noch zwei drin. Er hatte das
Rauchen aufgegeben, als Lia schwanger wurde. Das schien ein guter Anlaß zu
sein, und eine Zeitlang hatte er das Stocken in der Lunge gespürt, wenn er in
der Schule die Spiele der Jungs pfiff. Aber er hatte sich immer eine Schachtel
für Notfälle aufgehoben. Der psychologische Effekt zu wissen, daß man eine Wahl
hatte, war ein gutes Mittel gegen die seltsame Macht, die Nikotin über einen
ausübte. In der letzten Zeit hatte es anscheinend sehr viel mehr Notfälle
gegeben als normalerweise, denn er rauchte eine Schachtel pro Woche. Lia schien
nichts gemerkt zu haben. Sie waren sich nicht so nahe gekommen, daß sie seinen
Atem hätte riechen können.
    Pete hatte recht, dachte er, als er
einen langen, entschlossenen Zug nahm und den Rauch ausatmete, der in der
eisigen Luft gefror. Sein Bruder hatte ihn sofort durchschaut. Und seine Kritik
war berechtigt. Er wußte selbst, daß er nicht so an Ally denken sollte, wie er
es in der letzten Zeit getan hatte, aber er schien nicht in der Lage zu sein,
damit aufzuhören.
    Die Erinnerung an diesen köstlichen
Augenblick, als sich ihre Körper vereinigten, war allzu gegenwärtig. Es ging
ihm einfach nicht aus dem Kopf. Zuerst hatte sich ihre heiße Haut berührt, dann
öffneten sich ihre Beine unter ihm, und der leichte Widerstand, als er zustieß,
wie das Fleisch einer reifen Frucht, die bei seiner Berührung plötzlich
aufplatzte, mit süßem Saft überquoll und sich dann wieder um ihn schloß. Es
hatte sich angefühlt, als würde er in ihre Seele gesogen. Er hatte sie niemals
wirklich verlassen.
    Hör auf damit, dachte er, warf die
halbgerauchte Zigarette auf die Erde und wiederholte im Geiste das vertraute
Mantra. Sie ist einfach abgehauen und hat dir nicht einmal gesagt, daß sie
nicht wiederkommen würde. Du hast lange gewartet, wie ein Trottel, aber sie hat
sich nicht einmal die Mühe gemacht herauszufinden, ob du noch am Leben bist.
    Alle hatten ihm gesagt, daß die Zeit
alle Wunden heilt. Es hatte zwar fast zwanzig Jahre gedauert, aber schließlich
hatte er eine bessere Frau gefunden, die er lieben konnte. Fahr nach Hause,
sagte er sich. Fahr nach Hause.
     
    Lia lag im Bett und lauschte dem
Zischen und Knallen des Feuerwerks in der Ferne. Ab und zu hörte sie ein
beunruhigendes Geräusch, das wie ein Schrei klang, der in der höchsten Tonlage
aussetzte, so als würde jemand erdrosselt. Immer wenn das passierte, fuhr sie
erschreckt im Bett hoch und legte sich entnervt wieder hin. Sie lag auf dem
Kissen und spürte ihren Puls rasen. Sie konnte nicht schlafen. Schlaflosigkeit
war für sie zur Gewohnheit geworden, und obwohl sie früh ins Bett gegangen war
und sich auf ein paar Stunden Ruhe gefreut hatte, bevor Anouska aufwachte, war
es ihr nicht gelungen einzudämmern. Jetzt, wo sie das Kinderbett ins zweite
Schlafzimmer gestellt hatte, fiel es Lia schwerer, sich zu entspannen. Sie
fühlte sich fast einsam ohne sie. Sie hätte am liebsten das Federbett genommen
und sich neben dem Bettchen auf den Boden gelegt, aber sie wußte, daß Neil
verärgert wäre, wenn er sie so vorfinden würde. Er meinte, es sei gut, wenn
Anouska sich ans Alleinsein gewöhnte, und er hatte damit wahrscheinlich recht,
obwohl Lia den Verdacht hatte, daß die Entscheidung, Anouska aus dem
Schlafzimmer zu verbannen, mehr mit Neils Schlafgewohnheiten zu tun hatte als
mit denen des Babys.
    Wo war Neil? Sie sah auf den Wecker.
Es war nach zehn, und er war immer noch nicht zu Hause. Sie

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