Keine große Affäre
nicht geglaubt, daß ein so kleines, zerbrechliches Wesen so
viel Lärm produzieren konnte.
»Macht so viel Umstände«, unterbrach
Neil das Schweigen, das seinem Kommentar gefolgt war. »Na ja, jedenfalls für
Lia. Ich weiß nicht, Cheryl scheint das alles spielend zu schaffen, aber Lia
verbringt ihr ganzes Leben damit, Birnenpüree zu machen...«
»Tja, Cheryl und ich haben auch ’ne
Menge Übung, Kumpel.« Pete nahm noch einen Schluck Bier. »Man braucht halt ’ne
Zeit, bis man sich dran gewöhnt. Es dauert ewig, bis was zurückkommt, aber wenn
sie älter sind, macht’s ’nen Riesenspaß. Für Chris und Ryan hattest du doch
auch ’ne Schwäche, als sie größer wurden, oder?«
»Vielleicht wüßte ich, wie ich mich
verhalten soll, wenn es ein Junge wäre«, sagte Neil niedergeschlagen.
»Nicht in dem Alter, Kumpel«,
informierte ihn sein Bruder, der Mann mit Erfahrung. »Ich glaub, Männer haben
Riesenschiß vor Babys, weil sie so klein und hilflos sind. Damit kommen Frauen
besser klar. Die sind dazu ausgerüstet. Ich meine nicht nur mit Titten...«,
fügte er hinzu.
»Hmm, ja«, sagte Neil und sah in sein
Glas.
»Aber das ist es nicht, oder?« fragte
Pete ihn.
»Was?«
»Komm schon, Kumpel. Du begibst dich
an einem kalten, dunklen Winterabend auf den langen Weg hierher, nachdem du
monatelang nicht hier warst, und machst ein Gesicht wie ein Kerl, dem ein
Millionengewinn durch die Lappen gegangen ist, weil er seinen Lottoschein
verloren hat. Jetzt erzähl mir nicht, du bist wegen dem Feuerwerk gekommen.«
Neil lächelte. Sein Bruder war nicht
gerade die Scharfsinnigkeit in Person, aber er hatte immer gespürt, wenn ihn
etwas bedrückte. Deshalb hatte er auch das Bedürfnis gehabt, hierherzukommen
und mit ihm zu reden, vermutete er.
Also spendierte er ihm noch ein Bier
und erzählte ihm zögernd von seinem Gefühl, daß sich nach der Geburt des Babys
alles verändert hatte.
»Soll Vorkommen, Kumpel«, sagte Pete.
»Was gibt’s sonst noch?«
Also erzählte Neil ihm von dem Streit,
nachdem er herausgefunden hatte, daß sie ihren Namen geändert hatte.
»Was ist daran so schlimm? Sind doch
nur ein paar Buchstaben.«
»Ich weiß nicht... Ich frage mich nur,
wenn sie mich darüber belogen hat, wieviel andere Lügen hat sie mir noch
erzählt?«
»Aber du hast doch grad gesagt, sie
hat nie gelogen, sie hat’s dir nur nie gesagt. Was ist daran falsch?«
Vielleicht war er blöd gewesen zu
glauben, Pete würde ihn verstehen. Ihm selbst erschien es so grundlegend, doch
für Pete lag der Unterschied nur in der Semantik.
»Ich kann’s ihr nicht mal verübeln.
Der Name Lia hat viel mehr Klasse. Vielleicht ist es das«, sagte Pete, stupste
Neil an und versuchte, ihn aufzumuntern. »Du magst halt Bräute mit vornehmen
Namen. Du warst schon immer hinter hochnäsigen Weibern her. Zum Beispiel diese
blöde Schlampe, die ein bißchen abgehoben war... Daddy war Immobilienmakler,
mochte Tennis und sowas. Wie hieß die noch?«
»Alison, und sie war keine Schlampe«,
sagte Neil abwehrend und wirbelte einen Bierdeckel auf dem Tisch herum. »Ich
habe sie vor kurzem wiedergetroffen.« Er bemühte sich, unbekümmert und gleichgültig
zu klingen, aber als es heraus war, wünschte er sich, er hätte nichts gesagt.
»Ach ja?« Pete stellte sein Bier ab
und starrte ihn an. »Jetzt kommen wir der Sache langsam näher...«
»Nein«, protestierte Neil. »Nein, sie
ist verheiratet und hat ein Kind, verdammt noch mal.«
»Das sind Gründe, warum du nicht
solltest, aber keine warum du nicht willst.«
»Ich will ja gar nicht...«, sagte Neil
energisch.
»Das hoff ich auch schwer, Kumpel«,
sagte Pete und trank sein Bier aus. »Ich will dir mal was sagen: Lia hat
Klasse, Kumpel, wahre Klasse. Sieht man ihr an. Diese Alison, na ja... Ich geh
jetzt wohl besser und seh mir das Guy-Fawkes-Feuer an, mit dem meine Kinder die
ganze Woche beschäftigt waren.« Er stand vom Tisch auf.
Neil war sich sicher, daß die Fäuste
geflogen wären, wenn das Gespräch nur eine Minute länger gedauert hätte.
Sein Bruder schüttelte ihm die Hand,
bevor er aufs Motorrad stieg, aber er gab keinen Kommentar mehr ab und winkte
auch nicht zum Abschied, als seine gigantische Silhouette in der Nacht
verschwand. Mit aufheulendem Motor zog Neil davon. Er hatte es so eilig
wegzukommen, daß er fast auf dem Hinterrad losraste. Er fuhr viel schneller,
als vernünftig war. In den Kurven der Feldwege, auf denen sich schon Eis
bildete, ging er unnötige
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