Keine halben Küsse mehr!: Roman (German Edition)
Backen und zerzausten Haaren hievte sie sich samt Gepäck in den Minibus und ließ sich erschöpft neben Duncan plumpsen. »Sorry«, flüsterte sie auch ihm zu.
»Soll ich deine Tasche und deine Jacke auf die Gepäckablage raufheben?«, erbot sich Duncan.
»Ja, danke, das wäre lieb von dir.« Amelie rollte sich auf dem Fenstersitz zusammen. »Also, ich werde jetzt ein bisschen schlafen, bin total fertig.« Sie schloss die Augen, lehnte den Kopf ans Fenster und war innerhalb von Sekunden eingeschlafen. Duncan musterte sie verblüfft – er kannte niemanden, der so auf Knopfdruck einschlafen konnte wie Amelie. Da von dieser Seite keine Unterhaltung zu erwarten war, drehte er sich zu den beiden Sitzen hinter ihm um, wo Sally und Max saßen und Stein, Schere, Papier spielten. Der Minibus fädelte sich in den Verkehr um den Soho Square ein und machte sich auf den Weg zur M40.
Einige Stunden später wurde Amelie durch laute Gesänge von den hinteren Sitzen geweckt. Ein Blick aus dem Fenster zeigte, dass die Dämmerung hereingebrochen war, doch konnte man noch die Umrisse einer hügeligen Landschaft erkennen. Sie wandte sich Duncan zu und fragte, sich den Schlaf aus den Augen reibend: »Sind wir schon da?«
Duncan schaute aus dem Fenster auf die vorbeiziehenden Felder und Weiden hinaus. Soeben passierten sie eine schöne alte Kirche, holperten auf einer schmalen Kopfsteinpflasterstraße durch einen malerischen Ortskern mit alten Läden und Cafés und hielten schließlich vor einem großen, gemütlichen Landgasthaus.
»Scheint so«, antwortete Duncan. In diesem Moment dröhnte auch schon Fleurs Stimme durch den Minibus. »Ich bitte um eure Aufmerksamkeit! Dies ist Wing. Herzlich willkommen in Wing, dem ältesten und charmantesten Städtchen in Nord-Buckinghamshire.«
Übertriebenes Gejohle. Fleur fuhr unbekümmert fort: »Okay, wir gehen jetzt rein und dann werden die Zimmer zugeteilt. Anschließend treffen wir uns zum Essen in der Gaststube.«
Josh nahm Fleur das Mikro aus der Hand und fügte hinzu: »Und danach gehen wir noch auf einen kleinen Schlaftrunk in die Bar – aber keine Saufgelage, wenn ich bitten darf! Wir müssen morgen früh raus.«
Am nächsten Morgen, pünktlich um acht Uhr, hatte sich das gesamte Kreativteam von LGMK in der Eingangshalle des Wing Manor Inn versammelt und wartete gespannt auf die Ankunft ihres Gurus von Creative Blockbusters. Amelie, die sich unter einem Beanie und einer rosagetönten Pilotenbrille vor dem Tageslicht verbarg, warf einen Blick auf ihre Uhr und sagte dann lachend zu Duncan: »Schon fünf Minuten drüber. Sollen wir ihm noch fünf Minuten geben und dann zu einem schönen Spaziergang aufbrechen? Ich meine, wir sind hier. Wenn er sich nicht mal die Mühe machen kann, zu erscheinen, also...«
Sie wandte sich Josh zu, der den Hals reckte und aus einem der Fenster der Rezeption in Richtung Leighton Buzzard spähte, um zu sehen, ob der Wagen ihres Trainers nicht auf der gewundenen, durch die Hügel führenden Landstraße auftauchte. »Immer noch nichts von ihm zu sehen?«, fragte Amelie. »Vielleicht könnten wir alle zusammen einen schönen Morgenspaziergang machen? Es ist so schön da draußen, so frisch und grün. Ist doch wunderbar, mal aus dem Mief der Stadt raus zu sein, oder?«
»Ja, wunderbar«, stimmte ihr Josh bei. »Aber ich denke, Bob hat sicher eine kleine Wanderung eingeplant.«
In diesem Moment war das misstönende Kreischen eines Autos zu hören, das auf die Kieseinfahrt vor dem Gasthof einbog, und alle drehten sich zum Fenster um. Sie sahen, wie ein pummeliger kleiner Mann mittleren Alters mit überkämmter Glatze und Brille sich ungeschickt aus dem Auto hievte, zur Beifahrerseite seines rostigen alten, kastanienbraunen Ford Fiestas hinüberging und einen Stapel Blätter und Akten vom Sitz hob. Er schubste die Tür mit dem Hinterteil zu, wobei ihm der Großteil seines Papierstapels herunterfiel und sich in einem Schauer über den Kies ergoss. Er ließ sich auf alle viere nieder, sammelte hektisch seine Akten ein und stieß sich beim Aufstehen den Kopf am Auto an, ein Schauspiel, das die gesamte Kreativabteilung von LGMK mit hochgezogenen Brauen verfolgte.
»Ladies und Gentlemen, darf ich vorstellen: Bob, der Hüter unserer Kreativität«, sagte Duncan skeptisch zu Amelie und Max, die prompt in Gekicher ausbrachen.
Bob, der sich die schmerzende Stirn rieb, blickte zum Gasthof und sah sich jäh mit einer Schar gespannt aus dem gro ßen Erkerfenster
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