Keine halben Küsse mehr!: Roman (German Edition)
könnten.«
»Warum tust du das andauernd?«, schoss Duncan zurück. »Du weißt nie, wann’s gut ist! Ich hab dich schrecklich gern, Amelie, aber, Herrgott noch mal, du bist ein Albtraum! Siehst du das nicht ein? Du bist auf der Hochzeit deiner besten Freundin, im saublöden Südwales. Es ist Sonntag, sechs Uhr früh. Du hast an die drei Flaschen Wein intus. Krieg dich wieder ein! Die Werbekampagne ist gelaufen – rahm sie dir ein, häng sie dir an die Wand, Amelie, sie ist gelaufen!«
»Sie ist nicht ›gelaufen‹, solang ich nicht sage, dass sie gelaufen ist!«, kreischte Amelie. Dann wurde sie sich der frühen Stunde bewusst und senkte ihre Stimme, versuchte ihren Zorn zu zügeln.
»Wie kannst du hier rumliegen, Duncan, wo du genau weißt, dass wir noch den ganzen Sonntag Zeit haben, um die neue Idee in die Kampagne einzuarbeiten? Warum bist du nur so ein verdammter Minimalist? Und wenn wir nun morgen unsere Jobs verlieren, was dann? Wie kannst du mit dir leben und wissen, dass du dich gedrückt hast?«
»Ich werd’s mir verzeihen«, fauchte Duncan. »Easy. Denn ich weiß zumindest, wann Schluss ist! Ich weiß, dass ich kein arbeitssüchtiger Irrer bin, der nicht mal am Sonntag Pause machen kann!« Duncan rollte sich zur Wand und zog sich die Schürze über den Kopf. Amelie stand fassungslos da. Ihre Augen schwammen in Tränen. Sie konnte nicht glauben, was Duncan gerade gesagt hatte. Sie sank auf den Boden, und eine Träne kollerte über ihre Wange. Hatte er Recht? Stimmte es, was er sagte? Sie überlegte ein paar Sekunden lang, was sie jetzt tun sollte. Ihr Kopf dröhnte, ihr Herz klopfte wie wild. Wenig später stand sie auf. Sie hatte sich entschieden.
»Ich werde das durchziehen, Duncan. Mit dir oder ohne dich. Ich kann nicht glauben, dass ich das zu dir sagen muss – wo du seit sechs Jahren mein Partner bist, aber ich werde das machen. Ich muss einfach versuchen unsere Jobs zu retten, wenn ich kann. Ich will nicht alles aufgeben, wofür wir so hart gearbeitet haben!«
Duncan sagte nichts. Das tat er gewöhnlich, wenn er sich einem Streit entziehen wollte – einfach nichts mehr sagen. Das trieb Amelie für gewöhnlich in den Wahnsinn, vor allem, wenn sie ihm gern noch alles Mögliche an den Kopf geworfen hätte. Dieser spezielle Morgen bildete keine Ausnahme. Ihren Zorn vergebens herunterschluckend suchte sie zwischen den Mänteln, die am Boden lagen, nach ihrem fehlenden Schuh.
»Wo ist er, verflucht noch mal! Menschenskind, Duncan, wenn du mir schon nicht helfen willst, unsere Jobs zu retten, dann hilf mir wenigstens meinen zweiten Schuh zu finden! Rot, spitzer Absatz, glänzend!«
Duncan rührte sich nicht. Amelie stopfte ihre Kleidung und ihre Habseligkeiten in ihren kleinen Trolley. Seufzend entdeckte sie den Sünder: eine halbleere Flasche Haarspülung, die über ihren frisch gewaschenen Pulli und ihre Jeans gesickert war. »Na toll. Jetzt sind meine Klamotten wenigstens weichgespült. Aaaaaahhhh!« Wütend raffte sie ihre Toilettentasche an sich und machte sich, humpelnd in einem Schuh, auf den Weg zum Bad. Dabei rief sie sich ein Taxi.
Wenig später tauchte sie mit sauberen Zähnen und frisch gewaschenem Gesicht wieder auf. Sie hatte eigentlich die frischen Sachen anziehen wollen, doch nun blieb ihr nichts anderes übrig, als ihr zerknittertes Abendkleid glatt zu streichen und einen noch einigermaßen unbekleckerten schwarzen Pulli darüberzuziehen. Glücklicherweise tauchte unter besagtem Pulli ihr zweiter Schuh auf, sodass sie zumindest nicht zum Bahnhof humpeln musste. Dann griff sie nach ihrem Trolley und ihrer Handtasche und stapfte davon, die Haustür leise hinter sich schließend.
Neunundfünfzig Sekunden später platzte sie atemlos wieder herein und stürzte in die Küche, wo sie Schubladen und Schränke aufzureißen begann. Duncan regte sich und spähte müde unter seinen Geschirrtüchern hervor. Er sah, wie Amelie ein Blatt von einem Notizblock abriss und hastig etwas hinkritzelte. Sie hinterließ das Blatt auf der Anrichte und machte sich wieder davon. Duncan schloss dankbar die Augen und sank auf seinen Mantel zurück.
Liebe stolze Eltern des Bräutigams, danke für die wunderschöne Hochzeitsfeier und für Ihre herzliche Gastfreundschaft. Ich bitte vielmals um Entschuldigung – aber ich musste ganz plötzlich nach London zurück und kann mich daher nicht persönlich von Ihnen verabschieden.
Mit herzlichen Grüßen,
Ameliexxx
P.S.: Das mit den Geschirrtüchern
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