Keine halben Küsse mehr!: Roman (German Edition)
wünsche euch allen einen schönen Valentinstag!
Amelie, die diese E-Mail eine Stunde später las, musste über das Postskript lächeln. Zu ihrer großen Überraschung und zum ersten Mal seit Jahren, hatte sie eine Valentinskarte auf ihrem Schreibtisch vorgefunden. Sie hatte sie nicht gleich aufgemacht, wollte sich das für später aufheben, wenn sie sich ihren Cappuccino geholt hatte. Jetzt, da dies der Fall war, riss sie den Umschlag gespannt auf und zog die Karte heraus.
Für Amelie, Creative Queen
In Liebe
?
Das war alles. Mehr stand da nicht. Die Handschrift kam ihr nicht bekannt vor, aber Jack konnte sie ja verstellt haben. Sie hatte nichts, womit sie sie hätte vergleichen können – sie hatten einander nie Valentinsgrüße geschickt, auch nicht, als sie noch zusammen waren. Amelie hatte immer heftig über den kommerziellen Aspekt gewettert, und Jack hatte ihr immer vorgeworfen, eine Heuchlerin zu sein, arbeitete sie doch selbst in der Werbeindustrie, und diesen Streit hatten sie Jahr für Jahr mit schöner Regelmäßigkeit ausgetragen.
Vielleicht war die Karte ja von Charlie. Aber nein, das konnte nicht sein. Nicht nach dem, was gestern passiert war. Obwohl es natürlich möglich war, dass er sie vorher zur Post gebracht hatte. Amelie brummte der Schädel von all der Tüftelei; sie war kein Sherlock Holmes. Sie kam zu dem Schluss, dass die Karte aller Wahrscheinlichkeit nach von Jack stammte. Dann war das zwar sicherlich eine nette Geste, doch sie änderte nichts. Sie legte sie beiseite und ging hinunter zur Konferenz.
Als sie eintrat, war Josh gerade dabei, der Belegschaft das neue Konzept zu erörtern. Es wurde größtenteils sehr positiv aufgenommen, doch kam auch Nervosität auf, weil die Änderungen derart knapp erfolgten. Dennoch war man sich einig, dass es die Extramühe wert war. Als Josh Amelie hereinkommen sah, holte er tief Luft und ließ seine Bombe platzen: »Ich weiß, dass normalerweise die Account Manager die Präsentation übernehmen, aber unter diesen speziellen Umständen habe ich entschieden, dass Amelie und ich den Pitch präsentieren werden.«
Amelie war wie vom Donner gerührt. Sie starrte Josh intensiv an und dachte, wie kann er mir das bloß antun? In letzter Minute?
Sicher, sie war kreativ, sehr sogar. Wenn es darum ging, eine gute Idee auszubrüten, eine originelle Schlagzeile, eine Catchphrase – kein Problem, das machte sie gern. Aber sich aufs Podium zu stellen und vor einem Publikum zu sprechen, das aus mehr als fünf Leuten bestand, war schlichtweg unmöglich. Amelie wusste das ganz genau. Sie wusste es, seit sie dieses grässliche Erlebnis bei den Pfadfindern gehabt hatte. Alle Kinder sollten sich einzeln vor die Gruppe hinstellen und ihre Lebensgeschichte erzählen (so viel, wie man in sieben Lebensjahren eben erlebt hat). Amelie, die schrecklich schüchtern war und außerdem dringend aufs Klo musste, nachdem sie einen ganzen Krug Ananas-Orangensaft getrunken hatte, stand auf dem Podium, stammelte etwas Unverständliches und sagte dann: »Ich kann mich nicht an meine Lebensgeschichte erinnern. Ich bin geboren worden, und dann ist nichts Besonderes mehr passiert.« Alle hatten gelacht, gebuht und mit dem Finger auf sie gezeigt, und Amelie war schluchzend zur Toilette gerannt. Seit jenem Tag hatte sie einen Horror davor, öffentlich zu sprechen, in der Schule, auf dem College und auch später am Arbeitsplatz. Sie sagte dann immer, dass es ihr von Geburt an vorherbestimmt gewesen sei, niemals öffentliche Reden zu schwingen: »Du sollst Amelie Holden nicht bitten, vor Publikum zu sprechen. Schreckliche Dinge mögen sonst geschehen, und alles wird enden in Jammern und Wehklagen.«
Sobald Josh fertig war, rannte sie zu ihm hin. »Josh! Ich kann nicht glauben, dass du mich nicht vorher gefragt hast! Tut mir leid, aber vor Publikum sprechen ist für mich das Schlimmste, was ich mir vorstellen kann. Zwing mich bitte nicht, das zu tun!« Sie schaute ihn flehentlich an; Panik stand in ihren blauen Augen. »Wenn du mich zwingst, mich dort auf die Bühne zu stellen, dann werde ich alles vermasseln. Du hast doch bestimmt den ersten Bridget-Jones-Film gesehen, oder? Diese unerträglich peinliche Szene mit Salman Rushdie? Na, dann vervierfach das mal, und du hast immer noch nicht annähernd begriffen, wie ich mich in solchen Situationen fühle … Im Ernst, ich flehe dich an. Wir werden den Auftrag verlieren, du wirst nichts mehr von mir wissen wollen... ich
Weitere Kostenlose Bücher