Keine Lady ohne Tadel
Hand. Er hörte auf. Und drang wieder tief hinein.
»Stephen, nicht!«, rief sie.
»Nicht? Nicht?« Nun bewegte er die Hand rhythmisch. Und widmete sich wieder ihrem Mund, diesen schönen dunklen, geschwollenen Lippen, die nun von Küssen rot waren und nicht von Farbe.
Sie wand sich in seinen Armen, atmete keuchend, ein Schrei formte sich in ihr … er spürte es, spürte seinen antwortenden Ruf in der eigenen Brust, eine verzweifelte Sehnsucht …
Sie erzitterte am ganzen Leib und umklammerte seine Schultern so fest, dass er durch das Jackett ihre Fingernägel spüren konnte.
Und dann war sie vollkommen nachgiebig in seinen Armen, ein schmiegsamer, süßer Frauenkörper. »Das war eine Verführung, Bea«, flüsterte er ihr ins Ohr.
Eine Weile herrschte Stille in der Bibliothek, dann sagte sie: »Ich glaube, das habe ich auch begriffen. An einem gewissen Punkt.« Das verhaltene Lachen in ihrer Stimme würde immer typisch für sie sein.
Sie löste sich keineswegs von ihm. Sie lag in seinen Armen, schmiegte sich an wie eine Taube. Entweder er ging jetzt, oder sein Vorsatz würde sich in nichts auflösen. Stephen hatte das Gefühl, als kämpfe er den härtesten Kampf seines Lebens, den Kampf um seine ganz private Flurbereinigung. Bea war es, die er einhegen, mit einem Zaun umgeben musste – die er behalten und heiraten musste.
Und er musste es ihr begreiflich machen.
»Ich will dich ganz«, raunte er in ihr Ohr.
Bea schlug ihre schläfrig aussehenden Augen auf und lächelte ihn an. Sein Blut strömte wie flüssiges Feuer. »Ich bin für alles empfänglich«, sagte sie sanft.
»Du weißt nicht, was ich will«, betonte er.
Sie blinzelte. »Kannst du es mir nicht beibringen?«
»Ich will, dass du mir den Hof machst, Bea. Ich will nicht verführt, nicht umworben werden.«
»Muss ich ein Wörterbuch zurate ziehen?«
»Ich hoffe nicht. Darf ich dich zu deinem Zimmer begleiten?«
Sie war die schönste Frau, die er je gesehen hatte: mit dem üppigen Haar, das über ihre Schultern fiel, und den rosig überhauchten Wangen. Er musste seine ganze Selbstbeherrschung aufbringen, um sie an ihrer Schlafzimmertür zu verlassen. Aber es war kein Spiel mehr, sondern bitterer Ernst.
29
Eheliche Beziehungen
In den Schlafzimmern im ganzen Haus wurden die Kerzen gelöscht. Die Zimmer versanken in Dunkelheit, in der angenehmen Vertraulichkeit, in der die Frauen auf den Schritt des Liebhabers warten, auf einen stummen Kuss, eine geflüsterte Einladung. Rees Holland war jedoch mitnichten in dieser Stimmung. Er behielt seine Schlafzimmertür im Auge und wartete grimmig auf …
Seine Frau.
Und war das nicht ein Hohn? Dass er so einen Abscheu davor verspürte, mit ihr zu reden? Am liebsten wäre er aus dem Haus gestürzt und hätte unverzüglich ein Pferd gesattelt. Und doch war er geblieben. Helene war eine Schlange, wirklich. Wenn sie nur die leiseste Kritik an ihm übte, blieb diese tagelang auf dem Grund seiner Seele haften.
Und doch – so redete er sich ein – wollte er nur das Beste für sie. Fairfax-Lacy war gewiss kein Mann, der ihr bei einer Scheidung beistehen würde. Das konnte ihm ja seine kostbare Karriere ruinieren! Aber Helene war in den Mann vernarrt, das sah Rees deutlich. Halten würde es jedoch nicht. Fairfax-Lacy war nichts weiter als ein einschmeichelnder Politiker, ein redegewandter Teufel, wie Rees’ Großmutter gesagt hätte. Außerdem sah er Helene gar nicht begehrlich an. Rees hatte ihn dabei ertappt, wie er Beatrix Lennox mit Blicken verschlang.
Das war der springende Punkt: Rees wusste, dass er in der Ehe kläglich versagt hatte. Aber auch Helene hatte nicht zur Ehefrau getaugt. Doch da sie nun das Bett mit Fairfax-Lacy teilte, verabscheute sie wohl nur ihn, Rees. Es war schon erstaunlich, wie sehr ihn dieser Abscheu schmerzte, selbst nach so vielen Jahren. Sogar heute noch fühlte er sich genötigt, eine Krawatte anzulegen und jedes widerspenstige Brusthaar zu bedecken, das möglicherweise aus seinem Hemd hervorlugen mochte, weil Helene sich davon abgestoßen fühlte, wie sie ihm immer wieder gesagt hatte. Er sei ein behaartes Tier, hatte sie gesagt.
Rees verzog das Gesicht. Warum zur Hölle machte er sich überhaupt Gedanken über Helene? Sie war nun einmal eine scharfzüngige Teufelin. Aber er konnte nicht zulassen, dass sie noch einmal den gleichen Fehler machte. Dieses Mal musste sie einen Ehemann finden, der es ehrlich mit ihr meinte. Und das tat Fairfax-Lacy ganz sicher nicht. Nicht,
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