Keine Lady ohne Tadel
sie wusste wirklich, wie sie ihn reizen konnte. »Denn wenn du dir etwas aus Geld machtest, würdest du dir ein paar Kleider kaufen, die einem Mann gefallen. Wie zum Teufel soll Fairfax-Lacy denn dieses Ding bezwingen, das du da trägst?« Er wies auf ihren wollenen Morgenmantel.
Helene hob das Kinn und straffte ihre Schultern. Nun wirkte sie wahrhaft königlich. »Der Unterhalt und mein Titel bedeuten mir gar nichts. Was ich will, ist ein Kind.« Und nun bebte ihre Stimme, wie er zu seinem Entsetzen feststellte. Sie hatten einander nie auch nur die geringste Verwundbarkeit gezeigt. Deshalb sah er sich außerstande, sie zu trösten.
»Ein Kind. Ich glaube, das höre ich nicht zum ersten Mal«, sagte er, um ihr Zeit zu geben, die Beherrschung wiederzuerlangen.
Helene holte tief Luft und beugte sich entschlossen vor. Sie musste Rees einfach überzeugen: Es war nötig. Auch wenn sie kein Interesse hatte, Stephen zu heiraten. Ein Scheidungsverfahren dauerte Jahre, aber währenddessen konnte sie einen anderen Mann finden. »Hast du Esmes Baby gesehen?«, fragte sie.
»Natürlich nicht. Warum sollte ich mich in die Kinderstube begeben, um ein Neugeborenes anzugaffen?«
»William ist das süßeste Baby, das ich je gesehen habe«, schwärmte Helene und versuchte vergeblich, Rees die Sehnsucht begreiflich zu machen, die sie stets beim Anblick des kleinen Kindes überkam. »Seine Augen sind von dem klarsten Blau, das sich denken lässt. Und er sieht Esme immer so liebevoll an. Ich glaube, er erkennt sie bereits.«
Rees konnte Kinder nicht ausstehen. Sie wimmerten, sabberten und spuckten und das mit schönster Regelmäßigkeit. Außerdem sonderten sie alle möglichen abscheulichen Gerüche ab, ohne sich darum zu scheren, ob sie vielleicht andere Menschen damit belästigten. Und obendrein vermeinte er in Helenes Stimme eine geradezu sklavische Schwärmerei zu vernehmen, die ihn nervös machte.
»In deiner Lage ist ein Kind mehr als unwahrscheinlich«, machte er geltend. »Du solltest die Kinderstube lieber meiden, wenn jeder Besuch derart abgöttische Bewunderung zur Folge hat.«
Helene hatte versonnen gelächelt, doch dieses Lächeln verschwand augenblicklich. »Warum nicht?«, herrschte sie ihn an. »Und was genau meinst du mit meiner Lage?« Befriedigt stellte Rees fest, dass ihre Stimme nicht mehr zitterte. Sie machte vielmehr den Eindruck, als wollte sie ihn auf der Stelle erwürgen.
»Du tätest besser daran, die Wahrheit zu akzeptieren«, fuhr er fort. »Ich habe das jedenfalls getan. Ich habe jede Hoffnung auf einen Erben aufgegeben.« Abgesehen davon hatte er auch nie einen haben wollen. »Ich glaube, wir fahren beide besser damit, unsere Lage zu akzeptieren.«
»Und welche Lage soll das sein?«
»Dass wir verheiratet sind und dass unsere Ehe offensichtlich kein Erfolg ist. Doch bis jetzt ist kein potenzieller neuer Ehemann auf der Bildfläche erschienen. Fairfax-Lacy würde dir bei einer Scheidung nicht zur Seite stehen. Deshalb ist er der denkbar ungeeignetste Kandidat.«
»Das ist nicht wahr!« Ihre Stimme war schrill geworden, doch Rees war ihre Wut weitaus lieber als Tränen.
»Doch, das ist wahr. Und ehrlich gesagt, meine Liebe, scheint er von diesem frechen Luder, der Freundin Lady Withers’, gefesselt zu sein. Selbst wenn er also ein Gesetz durchbrächte, das ihm gestattete, dich zu heiraten – und aufgrund seiner Stellung dürfte ihm das eher gelingen als den meisten –, würde er dich ebenso betrügen, wie ich es getan habe.« Rees gefiel es, wie präzise er die Lage zusammengefasst hatte. »Wenn du irgendwo einen mutigeren Geliebten auftreibst, werde ich die Scheidung gern noch einmal erwägen«, schloss er.
»Verdammt!« Sie fuhr aus dem Sessel auf wie einer dieser neumodischen chinesischen Knallkörper, die Rees in London gesehen hatte. »Wie verdammt großzügig von dir! Du bist der sturste, widerlichste Mann in ganz England!«
»Ich finde, dass ich absolut vernünftig bin«, hielt Rees dagegen und blieb gelassen sitzen. Ehemänner mussten doch wohl nicht der Anstandsregel folgen, jedes Mal aufzustehen, wenn ihre Gattinnen dies taten.
»Vernünftig!«
»Dir würde es auch besser gehen, wenn du die Lage, in der wir uns befinden, einfach akzeptiertest.«
»Du Lump!«
Das traf ihn empfindlich. »Glaubst du etwa, ich hätte nicht mehr gewollt?«, brüllte er, sprang auf und packte sie an den Schultern. »Meinst du nicht, ich hätte eine richtige Ehe gewollt? Mit einer Frau, die ich lieben
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