Keine Macht den Doofen
an Blödheit – und der Mensch
überspannt den Bogen in dieser Hinsicht gewaltig.
Angesichts der Katastrophen, die wir bereits ausgelöst haben, muss
man sich wirklich fragen, wer die intelligentere Lebensform ist: Mensch oder
Ameise? Immerhin übersteigt die Biomasse der Ameisen die des Menschen um ein
Vielfaches. (Sie stellen nicht nur viel, viel mehr Individuen, sondern bringen
insgesamt auch ein größeres Gewicht auf die Waage.) Und obwohl die vielen
Trillionen Ameisen Tag für Tag wie die Weltmeister produzieren und konsumieren,
gibt es bei ihnen weder ein Überbevölkerungs- noch ein Müllproblem. Allem
Anschein nach verstehen sie es, intelligenter zu
wirtschaften als wir. Aber warum ist das so? Wo liegen die Gründe für die
augenscheinliche ökologische und ökonomische Weisheit der
Ameisen und die nicht minder offenkundige Blödheit
der Menschen ? Sind wir als Einzelwesen nicht unendlich viel klüger als
sie?
Natürlich sind wir das! Als Individuen sind wir den Ameisen kolossal überlegen, auf der Ebene des Kollektivs haben wir trotzdem das Nachsehen: Denn Ameisen zeichnen sich durch Schwarmintelligenz aus, Menschen durch Schwarmdummheit. Es ist exakt das umgekehrte Phänomen: Während sich aus der individuellen Beschränktheit der Ameisen eine kollektive Intelligenz ergibt, resultiert aus der individuellen Intelligenz der Menschen eine kollektive Beschränktheit : Erst
gemeinsam sind wir richtig doof! Denn das ist unsere Spezialität: Wir
haben ein System geschaffen, das die Rationalität des Einzelnen mit tödlicher
Präzision zur Grundlage eines kollektiven Irrsinns macht, das uns
Entscheidungen treffen lässt, die innerhalb des Systems als »klug«, ja sogar
»vernünftig« erscheinen, obwohl sie in Wahrheit von atemberaubender Dummheit
sind.
Dafür gibt es kaum ein besseres Beispiel als unsere heutige Wegwerfgesellschaft , die einerseits völlig irrsinnige Konsequenzen
hat, andererseits jedoch sehr wohl auf rationalen Wirtschaftsstrategien beruht,
etwa der sogenannten geplanten Obsoleszenz. Womöglich haben Sie dieses Wort
noch nie gehört 36 , die
damit verbundenen Phänomene dürften Ihnen aber wohlvertraut sein. Sie kennen
das sicherlich: Kaum ist die Garantiezeit Ihres Handys, Toasters, Druckers oder
Kühlschranks abgelaufen, gibt das verdammte Ding auch schon den Geist auf!
Hinter diesem bemerkenswerten Vorgang verbirgt sich nicht nur der berühmte
»Zahn der Zeit«, der bekanntlich an allem und jedem nagt, sondern eben auch »geplante
Obsoleszenz«. Das Adjektiv »obsolet«, das in diesem sperrigen Begriff enthalten
ist, bedeutet »hinfällig«, »veraltet«, »nicht mehr gebräuchlich« – und genau
darum geht es: Viele Produkte werden ganz bewusst so konzipiert, dass sie genau
zum richtigen Zeitpunkt (weder zu früh noch zu spät) »hinfällig« sind.
Infolgedessen kann der fröhliche Konsument die Wirtschaft ankurbeln, indem er
neue Produkte erwirbt.
Wo kämen wir auch hin, wenn die Produkte ewig hielten? Die
Absatzmärkte würden einbrechen, unser Profite, unsere Arbeitsplätze, unser
Renten wären in Gefahr! So etwas Verrücktes wie Kühlschränke mit einer
garantierten Lebensdauer von 25 Jahren konnte nur die DDR hervorbringen – kein Wunder, dass sie unterging. Wie man es richtig macht, zeigten
die großen Elektrokonzerne schon vor Jahrzehnten, als sie die Lebensdauer ihrer
Glühbirnen systematisch von 2500 auf 1000 Stunden herunterstuften. Denn das
Motto des globalen Marktes lautet: »Lang lebe die Kurzlebigkeit!« Insofern war
es nur konsequent, dass die Designer von DuPont, als sie in den 1950er-Jahren
eine »unkaputtbare« Nylonstrumpfhose erfanden, postwendend zurück ans
Zeichenbrett geschickt wurden, um eine weniger strapazierfähige Variante zu
entwickeln. Allzu haltbare Waren , das weiß jeder
Betriebswirt, sind eine Tragödie fürs Geschäft .
In unserer schönen neuen Warenwelt hat jedes Produkt eine im
Vorhinein festgelegte Lebensdauer – und damit diese nicht unangemessen
überschritten wird, lassen sich die Hersteller einiges einfallen: In erster
Linie zählt hierzu das Schaffen kurzlebiger Modetrends, die die Produkte der vergangenen
Saison als hoffnungslos veraltet wirken lassen, sodass der Konsument freiwillig
zu neuen Produkten greift. Mitunter aber sind die Kunden uneinsichtig und
müssen zu ihrem Glück gezwungen werden. Daher bauen einige Hersteller in ihre
elektrischen Apparaturen spezielle Chips ein, die dem Gerät die freundliche
Anweisung geben, nach
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