Keine Macht den Doofen
jedes
ordentlichen grünen Politikers. Bemerkenswerterweise ist ihnen nach der AKW -Kritik allerdings auch dieses Alleinstellungsmerkmal
verloren gegangen. Denn mittlerweile tun sich Politiker aller Parteien dadurch hervor, den europäischen Markt vor der vermeintlichen Gefahr
transgener Produkte beschützen zu wollen. Fragen wir uns: Worauf ist diese
merkwürdige Einigkeit der politischen Klasse zurückzuführen? Etwa auf
wissenschaftliche Studien, die die Bedenklichkeit genetisch veränderter
Pflanzen nachgewiesen hätten? Nein, so etwas würde Realpolitiker nicht
beeindrucken. Auch in diesem Fall war und ist für die politische
Entscheidungsfindung nicht die argumentative Sachlage ,
sondern die allgemeine Interessenlage maßgeblich:
Politiker aller Fraktionen wettern deshalb gegen gentechnisch erzeugte
Nahrungsmittel, weil dies erstens im Sinne
ökologischer wie konventioneller europäischer Landwirtschaftsverbände ist und
weil zweitens in der Bevölkerung die Angst vor diesen
Produkten so stark verbreitet ist, dass es einem politischen Selbstmord
gleichkäme, das Gegenteil zu tun.
Dass alle großen Wissenschaftsorganisationen die Grüne
Gentechnik 79 gänzlich anders bewerten als die Politik, stört offenbar niemanden. Dabei
sprechen die Fakten für sich 80 – wenn man denn bereit ist, sich auf diesem Gebiet auf rationale Argumente
einzulassen (was ich, wie ich zugeben muss, als alter Greenpeace -Sympathisant
lange Zeit auch nicht tat 81 ):
Gentechnisch veränderte Nahrungsmittel sind in der Regel weniger
umweltzerstörend, weniger gesundheitsgefährdend, weniger allergen als
konventionelle Landwirtschaftsprodukte, ja, sie sind in diesen Punkten sogar
»Bio-Erzeugnissen« überlegen. Vor allem aber zeichnet sich die Grüne Gentechnik
durch nachhaltig höhere Erträge aus – insbesondere in
Gebieten mit ungünstigen ökologischen Rahmenbedingungen.
Die deutsche Nobelpreisträgerin Christiane Nüsslein-Volhard brachte
den Stand der Forschung auf den Punkt, als sie feststellte, »dass die Anwendung
der Gentechnik in der Pflanzenzüchtung ein noch unausgeschöpftes Potenzial für
den ökologischen Landbau, für verbesserten Umweltschutz, die Erhaltung der
Artenvielfalt und die Gesundheit bietet«. Die Vorteile liegen auf der Hand:
»Pflanzen, die resistent gegen Motten, Pilzbefall, Viren und Nematoden sind, müssen
nicht gespritzt werden. Pflanzen, die besser an ungünstige
Wachstumsbedingungen, Salzböden, Karst, Trockenheit angepasst sind, können so
gezüchtet und angebaut werden, um verödetes Land wieder fruchtbar zu machen.« 82 Natürlich bietet jede
potente Technik neben Chancen auch Risiken, aber in diesem Fall ist das Urteil der Wissenschaft erstaunlich eindeutig: Die rigorose Absage an die Gentechnik ist – anders als dies von
Umweltschützern gemeinhin angenommen wird – kein Ausdruck
von ökologischer Weitsicht, sondern von ökologischer und ökonomischer
Unvernunft .
Wenn man die Dinge etwas genauer betrachtet, kann man sich des
Eindrucks kaum erwehren, dass die grassierende Anti-Gentechnik-Hysterie ein Luxus-Spleen verwöhnter Europäer ist, die es sich leisten
können, irrational-romantischen Ökomythen zu folgen,
statt die ökonomischen und ökologischen Potenziale einer Technik auszuloten,
die gerade den Ärmsten der Armen Chancen auf eine bessere Zukunft bietet. Dabei
beruht die fast ausschließlich in reichen Nationen verbreitete Angst vor
transgenen Produkten nicht zuletzt auf Unwissenheit. So kamen Umfragen Ende der
1990er-Jahre zu dem Ergebnis, dass 35 Prozent der EU -Bürger
und 65 Prozent der US -Amerikaner glaubten, dass
konventionell gezüchtete Tomaten keine Gene enthielten. Noch größere
Bevölkerungsanteile dürften sich im Unklaren darüber sein, dass
selbstverständlich auch die konventionelle Züchtung, die wir Menschen seit rund
12 000 Jahren betreiben und ohne deren Erfolge wir verhungern würden,
notwendigerweise mit Eingriffen ins Erbgut verbunden ist. Im
Grunde besteht der Unterschied zwischen traditioneller Zucht und moderner
Gentechnik allein darin, dass der Eingriff ins Erbgut heute etwas gezielter
erfolgen kann. 83 Wahr ist allerdings, dass mithilfe der neuen biotechnischen Verfahren auch
genetische Informationen fremder Arten in das Genom einer Kulturpflanze
eingeschleust werden können. Dieser »horizontale Gentransfer« ist tatsächlich
ein neues Verfahren für uns Menschen, unnatürlich , wie viele meinen, ist es jedoch nicht, denn in
der Natur kommt es schon
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