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Keine Macht den Doofen

Keine Macht den Doofen

Titel: Keine Macht den Doofen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Schmidt-Salomon
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europäischen
Antidiskriminierungsvorschriften verpflichtet fühlt, doch das hindert
die Politik keineswegs daran, die kirchliche Praxis der
Diskriminierung mit milliardenschwerem Aufwand zu fördern. 72
    Denken Sie nur an die christlichen Stelleninserate, die tagtäglich
in unseren Zeitungen erscheinen. Die implizite Aussage dieser Jobangebote für
Ärzte, Psychologen, Krankenpfleger etc. lautet: Juden
unerwünscht, Atheisten unerwünscht, Muslime unerwünscht! Und dies in
Betrieben, die 100-prozentig öffentlich finanziert werden,
wie Krankenhäuser oder Altenheime, für deren Erhalt die Kirchen keinen einzigen
müden Cent aufbringen! Konsequenz: Da sich die kirchlichen
Sozialkonzerne Caritas und Diakonisches Werk dank großherziger politischer
Unterstützung längst zu den größten nichtstaatlichen Arbeitgebern Europas
gemausert haben, sind heute Millionen von Menschen faktisch
zur Kirchenmitgliedschaft gezwungen, um ihrem Beruf nachgehen zu können .
Besonders hart trifft es dabei Angestellte in katholischen Betrieben
(Krankenhäuser, Kindergärten, Altenheime etc.), die ihre Arbeitsstelle bereits
verlieren können, wenn sie einen geschiedenen Partner heiraten oder sich dazu
bekennen, in einer homosexuellen Beziehung zu leben. Fragen Sie sich selbst:
Gehört eine solche Diskriminierung ins 21. Jahrhundert? Kann es legitim sein,
einen derartigen Grundrechtsverstoß auch noch öffentlich zu finanzieren?
Natürlich nicht! Doch bislang ist kaum ein deutscher Politiker auf den Gedanken
gekommen, irgendetwas gegen dieses offenkundige Unrecht zu unternehmen. 73
    Führt man sich vor Augen, wie stark das religiotische Syndrom in der
Politik verbreitet ist, versteht man, warum die systematischen
Menschenrechtsverletzungen, die Abertausende von Heim- und Internatskindern in
christlichen Institutionen erleiden mussten , über Jahrzehnte hinweg
vollständig ignoriert wurden. 74 Auch begreift man, warum Sterbenden noch immer das Recht auf Selbstbestimmung am Lebensende verwehrt wird. Obwohl die
überwiegende Mehrheit der Bevölkerung längst für eine Liberalisierung der
Sterbehilfe eintritt, kommt die Politik auf diesem Gebiet kaum einen Schritt
voran. Schuld daran ist nicht zuletzt die religiotische Vorstellung, wir seien
bloß »Verwalter, nicht Eigentümer des Lebens, das Gott uns anvertraut hat«, und
dürften »darüber nicht verfügen«. 75 Wie viel Elend, wie viel unsägliches Leid Schwerstkranken aufgrund solcher abergläubischen
Vorstellungen Tag für Tag zugemutet wird, lässt sich kaum in Worte fassen.

Menschenwürde im Reagenzglas?
    Religiotische Vorstellungen dieser Art bestimmen
allerdings nicht nur den Umgang mit dem Ende , sondern
auch mit dem Anfang des Lebens. Denken Sie nur an die
Debatte um die sogenannte Präimplantationsdiagnostik ( PID ) , die 2011 im Deutschen
Bundestag geführt wurde. Ziel der PID ist es, durch
eine frühzeitige Untersuchung künstlich befruchteter Eizellen nur solche
Embryonen in die Gebärmutter einzupflanzen, die die bestmögliche Aussicht auf
eine gesunde Entwicklung haben. Eigentlich eine gute Idee, sollte man meinen –
vor allem wenn man bedenkt, welch hohe physische und psychische Kosten die
betroffenen Frauen ohnehin tragen müssen, wenn sie den beschwerlichen Weg einer
künstlichen Befruchtung gehen. Dennoch stimmten 43 Prozent der deutschen
Parlamentarier für ein rigoroses Verbot der PID , während
die Mehrheit für eine Gesetzgebung votierte, die die Zulässigkeit der PID auf einige wenige Fälle begrenzte. Was waren die
Gründe für diesen Akt der politischen Bevormundung? Sollte man nicht meinen,
dass die Bürgerinnen und Bürger eines liberalen Rechtsstaates mündig genug
sind, selbst darüber zu entscheiden, was für sie am besten ist? Andersherum
gefragt: Gab es irgendwelche überzeugenden Argumente dafür, dass
der Staat seinen Bürgerinnen überhaupt das Recht absprechen darf, die Qualität
künstlich erzeugter Embryonen kontrollieren zu lassen, bevor man sie in ihren
Körper einpflanzt?
    Nein, solche Gründe gab und gibt es nicht, wie ein bioethisches
Gutachten verdeutlichte, das sämtlichen Bundestagsabgeordneten im Vorfeld der PID -Entscheidung zuging. 76 Wie aber reagierten die deutschen
Parlamentarier auf dieses Gutachten? Man kann es leider nicht freundlicher
formulieren: Die meisten Briefe und Faxe deutscher Politikerinnen und Politiker
bewegten sich auf einem derart unterirdischen
intellektuellen Niveau, dass man sich wundern muss, weshalb der Staat

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