Keine Macht den Doofen
nicht
schon längst unter der eklatanten Denkschwäche seines Führungspersonals zusammengebrochen
ist! 77 So
begriffen viele Parlamentarier nicht einmal den gewichtigen Unterschied
zwischen einer behinderten freundlichen und einer behinderungs freundlichen Politik: Schon die Feststellung,
dass der Staat zwar Kranke und Behinderte mit allen
verfügbaren Mitteln fördern sollte – nicht aber Krankheiten
und Behinderungen – , überstieg das geistige Vermögen zahlreicher
Politiker. Noch erschreckender allerdings war, wie viele MdBs ihr Votum für ein
Verbot beziehungsweise für eine strikte Begrenzung der PID mit dem »christlichen Menschenbild« begründeten. Unter Berufung auf den
angeblich »urchristlichen Glaubensgrundsatz«, dass »Gott« im Moment der
Verschmelzung von Samen und Eizelle dem neu entstehenden Lebewesen eine
»unsterbliche Seele« einhauche, erklärten sie, dass schon frühe Embryonen –
wohlgemerkt: wir sprechen hier von völlig empfindungsfreien
Zellformationen, die bedenkenlos eingefroren und wieder aufgetaut werden
können – als »Rechtspersonen« mit »Menschenwürde« geachtet werden müssen.
Ob den Abgeordneten wirklich klar war, was sie da von sich gaben?
Glaubten sie wirklich, dass Objekten im Reagenzglas die »volle Menschenwürde«
zukomme? Hatten sie sich jemals ernsthaft Gedanken über die Widersprüche ihres
eigenen Glaubens gemacht, etwa darüber, warum »Gott« so furchtbar
unentschlossen sein sollte, dass er zunächst a) jeder einzelnen befruchteten
Eizelle eine »unsterbliche Seele« einhaucht , um sie
kurz danach b) bei der Hälfte von ihnen wieder auszuhauchen ?
(Immerhin gehen 50 Prozent der befruchteten Eizellen spontan wieder zugrunde,
weshalb Gott, wäre er dafür verantwortlich, als »größter Abtreibungsarzt aller
Zeiten« in die Geschichte eingehen müsste …) Vor allem: War diesen Abgeordneten
denn so gar nicht klar, dass ihr privater Glaube an beseelte
Embryonen beim besten Willen kein Grund sein kann, um andersdenkenden Menschen das Recht zu verwehren, mithilfe
von PID die Chancen auf ein gesundes Kind zu
erhöhen? Hätten sie nicht wissen müssen, dass es den
Prinzipien der Demokratie widerspricht, wenn sich der weltanschaulich neutrale
Staat das Recht herausnimmt, seinen Bürgerinnen und Bürgern eine bestimmte
weltanschaulich gebundene Haltung vorzuschreiben?!
Wahrscheinlich, so ist zu befürchten, war den meisten dieser
christlich inspirierten Abgeordneten nicht einmal bewusst, dass das Dogma der
Simultanbeseelung (»Eingießen des Geistes« im Moment der Befruchtung)
keineswegs so »urchristlich« ist, wie allgemein behauptet wird. Tatsächlich
ging die Kirche über viele Jahrhunderte von der alternativen Lehre der
»Sukzessivbeseelung« aus, wonach sich im Embryo beziehungsweise Fötus erst allmählich
eine »Seele« entwickelt, weshalb christliche Theologen lange Zeit kein Problem
darin sahen, Schwangerschaftsabbrüche vor dem dritten Monat zu legitimieren. Erst vor knapp 150 Jahren machte Papst Pius IX . die Lehre von der Beseelung im Moment
der Befruchtung zum verbindlichen Glaubensdogma, wobei der theologische
Hintergrund dieser Grundsatzentscheidung eine Farce für sich ist. Denn
dieses obskure Dogma der Simultanbeseelung stand in Zusammenhang mit dem noch obskureren
Dogma der Unbefleckten Empfängnis Mariens , das Pius IX . bereits 1854 verkündet hatte. Das Problem des Papstes:
Wie sollte man der Empfängnis Mariens würdevoll gedenken, wenn Maria in dem
Moment, in dem sie empfangen wurde, nach klassischer Auffassung nichts weiter
war als vernunftlose, seelenlose Materie? Diese Frage ließ Pius IX . keine Ruhe, denn selbstverständlich war er überzeugt,
dass die allerheiligste Jungfrau nie und nimmer je seelenlos gewesen sein
konnte. Also tat der gute Mann, was getan werden musste, und strich 1869 zu Ehren
der Gottesmutter die Sukzessivbeseelung aus dem Glaubenskanon. Traurig, aber
wahr: Auf solch religiotischem Unfug beruhen noch heute Gesetze
eines säkularen Staates!
Ökologioten an der Macht
Kommen wir damit zum nächsten Kernelement der Politiotie,
der Ökologiotie . Auch für sie lieferte das Jahr 2011
eindrucksvolle Beispiele. Man erinnere sich nur daran, wie die deutsche
Bundesregierung, die noch im Herbst 2010 aus dem Atomausstieg ausgestiegen war,
auf das Reaktorunglück in Fukushima reagierte. Hätte es noch eines weiteren
Belegs für Esther Vilars Diagnose bedurft, dass sich politische
Dummheit vor allem in mangelnder
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