Keine Macht den Doofen
seit Jahrmillionen vor, dass Pflanzen genetische
Sequenzen aus anderen Organismen und Viren aufnehmen.
Dass viele Europäer Gentechnik als »unnatürlich« ablehnen, beruht
nicht nur auf einer Unkenntnis der Biotechnologie ,
sondern auch auf einem inadäquaten Naturverständnis .
Viele Ökologiebewegte begreifen die Natur noch immer als etwas Statisches, das
man in einem bestimmten Zustand erhalten müsste, obwohl die Natur stets im
Fluss ist (Evolution) und sich die Genome der Organismen selbstverständlich
auch ohne Eingriff des Menschen wandeln würden. Dabei sind wir Menschen
keineswegs die einzigen Lebewesen, die ins Erbgut fremder Organismen eingreifen – Mikroorganismen tun dies schon seit Jahrmilliarden. Kurzum: Die Vorstellung,
es sei eine Art »Sündenfall«, wenn der Mensch das Erbgut anderer Organismen
verändert, ist nichts weiter als ein ökologiotischer Mythos, der sich
vornehmlich aus drei antievolutionären Quellen speist: a) dem
theologischen Mythos von einer gottgeschaffenen Konstanz der Arten (den
Darwin widerlegte), b) dem romantischen Mythos einer » heilen Natur « (der all die Übel ignoriert, die in der Natur
real vorherrschen), sowie c) dem anthroposophischen Mythos
einer in » kosmischer Harmonie « stehenden Landwirtschaft (die Pflanzen »wesensgemäß«
züchten will, weshalb nicht nur jegliche Gentechnik, sondern auch schon die
Kreuzung von Weizen und Dinkel verpönt sind).
Halten wir fest: Die Tatsache, dass gentechnisch veränderte
Lebensmittel nicht mit dem Bio-Siegel ausgezeichnet werden dürfen, ist nicht
darauf zurückzuführen, dass transgene Produkte unökologisch oder
gesundheitsgefährdend wären. Der Grund hierfür liegt vielmehr in den höchst irrationalen (teils auch politisch reaktionären)
Vorstellungen, die die ansonsten so verdienstvolle ökologische Landwirtschaft
von Anfang in sich trug . 84 Da diese Irrationalismen innerhalb der Ökologiebewegung nie kritisch
aufgearbeitet wurden, gelangten sie über Bündnis90/Die
Grünen , die Lobbypartei der ökologischen
Landwirtschaft, in die Politik. Allerdings dauerte es nicht lange, bis sich
auch die traditionellen Parteien auf die Grüne Gentechnik einschossen. Denn das
entsprach nicht nur der Haltung vieler Wähler, die nach all den Lebensmittelskandalen
der jüngeren Vergangenheit zutiefst verunsichert waren, sondern vor allem auch
den Interessen der konventionellen Landwirtschaftsverbände ,
die sich mithilfe eines Einführverbots von gentechnisch veränderten Lebensmitteln
auf elegante Weise gegen unliebsame außereuropäische Konkurrenz schützen
konnten. Dass diese Marktabschottung gerade Schwellen- und Entwicklungsländern
großen Schaden zufügte, die von gentechnisch veränderten Kulturpflanzen
besonders profitieren, bekam der Verbraucher, der sich einbildete, es ginge bei
der Anti-Gentechnik-Politik in erster Linie um seine Gesundheit, gar nicht mit.
Ein rationaler Umgang mit moderner Biotechnologie würde Grüne
Gentechnik weder als Teufelszeug verdammen noch als Wundermittel zur Lösung aller Probleme anpreisen. Argumentationszugängliche
Politiker sollten begreifen, dass die moderne Biotechnologie hilfreich sein
könnte, um das Problem des Welthungers zu lösen, allerdings nur unter der
Voraussetzung, dass entsprechende politische und ökonomische Rahmenbedingungen
geschaffen werden. Die entscheidende Frage sollte daher nicht lauten, ob Grüne Gentechnik überhaupt eingesetzt werden darf (es
wäre unverantwortlich, es nicht zu tun), geklärt werden muss vielmehr, wie sie sinnvollerweise eingesetzt werden sollte. Die von den Grünen und von Greenpeace vorgebrachte Kritik am Geschäftsgebaren der Firma Monsanto hat in dieser Hinsicht selbstverständlich ihre
Berechtigung. In der Tat wäre es verheerend, wenn eine einzige Firma den
globalen Markt mit transgenen Kulturpflanzen beherrschen würde. Nur: Eine solche Monopolstellung verhindert man nicht durch eine
fundamentalistische Blockade der Gentechnik, sondern durch eine
verantwortungsvolle Forcierung der öffentlichen Forschung!
Geschäft der Politik – Politik der Geschäfte?
Wenden wir uns damit dem dritten Kernelement der Politiotie
zu, der Ökonomiotie . Wie bereits im vorangegangenen
Kapitel dargelegt, wäre der Kettenbriefhandel der Finanzmärkte ohne politische
Rückendeckung gar nicht möglich gewesen. Wäre der Staat nicht mit milliardenschweren
Konjunkturprogrammen, Subventionen, einem ausuferndem Sozialsystem sowie
Banken- und
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