Keine Schokolade ist auch keine Loesung
uns jemand hören kann bei der lauten Musik. »Das hier ist keine schlechte Unterkunft für einen Studenten. Man hat sein eigenes Zimmer und muss sich nur das Bad und die Küche mit zwei Mitbewohnern teilen.«
Steven ist anderer Meinung. »Aber die Aussicht?« Er zeigt auf die Fenster in den unbewohnten Zimmern, dann schüttelt er sich. »Das arme Mädchen. Sie hätte ihre Unschuld mal besser in einem Wagen zu Hause mit dem Kapitän der Football-Mannschaft verloren als hier.«
Tom lächelt ihn an. »Du großer romantischer Spinner.«
Die Aussicht ist tatsächlich deprimierend. Das kiesbedeckte Flachdach, der gewaltige Wasserturm und die Belüftungsrohre des Nebengebäudes sind so nah, dass die Bewohner, würden die Fenster sich richtig öffnen lassen, auf das Dach hinausklettern könnten, um ein Sonnenbad zu nehmen.
»Bringen wir es hinter uns«, sagt Pete. Er wirkt ungehalten, vielleicht weil er an seine eigenen Töchter denken muss.
»Wenn ihr erlaubt«, sage ich und gehe hinüber zu 401A, um mit der Faust gegen die Tür zu hämmern.
»Wohnheimdirektion«, brülle ich, um mich über die Musik hinweg bemerkbar zu machen, die anscheinend auf »Repeat« gestellt ist. Tania fordert uns abermals heraus, sie zu verklagen. »Mr. Bigelow? Wir wissen, dass Sie da sind. Bitte öffnen Sie die Tür.«
Es folgt keine Reaktion. Ich klopfe wieder, dieses Mal noch lauter.
»Bridget? Ich bin es, Heather Wells von der Fischer Hall. Du hast keinen Ärger zu befürchten.« Und ob sie Ärger zu befürchten hat. »Bitte mach auf.«
Bridget kennt mich, wenn auch nur ein bisschen, von der Rock-’n’-Roll-Führung. Sie stellte mir währenddessen sogar eine Frage. Sie wollte wissen, ob wir einen Abstecher zu dem Secondhandladen machen könnten, in dem Madonna in dem Film Susan … verzweifelt gesucht ihre Jacke eintauschte. Leider musste ich ihr diese Bitte abschlagen. Der Laden, Love Saves the Day, wurde nämlich geschlossen, nachdem der Eigentümer die Pacht drastisch erhöht hatte. Inzwischen befindet sich darin ein Nudelshop.
»Bridget?« Ich versuche, den Türknauf zu drehen. Die Tür ist abgeschlossen.
Wären Simon oder seine Stellvertreterin heute zur Arbeit erschienen, hätte einer von ihnen uns nach oben begleiten und mit dem Generalschlüssel die Tür öffnen können, um uns Zutritt zu verschaffen. Und hätte ich das Glück gehabt, unten am Empfang jemanden anzutreffen, der wusste, was er tat, hätte ich dort um den Schlüssel für 401A bitten können. Aber die einzige Person in der Wasser Hall, die Zugang zum Schlüsselschrank hatte, war, so wurde ich informiert, »in Pause«.
»Soll ich runter an die Rezeption und den Hausmeister rufen lassen?«, frage ich Pete besorgt. »Der hat bestimmt einen Generalschlüssel oder kann zumindest den Zylinder aufbohren.«
Pete legt die Hände auf meine Schultern und dirigiert mich sanft zur Seite.
»Wenn Sie erlauben«, sagt er. Und dann, mit einer Stimme, die viel tiefer ist als die, die er normalerweise benutzt, brüllt er: »Hier spricht Officer Rivera vom Campus-Sicherheitsdienst des New York College. Ich zähle jetzt bis drei, und wenn Sie diese Tür bis dahin nicht öffnen, werden ich und meine Kollegen sie aufbrechen. Eins. Zwei …«
Drinnen hört man das Klirren von splitterndem Glas. Nicht wie von einem einzelnen Trinkglas, das jemand fallen gelassen hat, sondern als wäre eine Fensterscheibe zerbrochen, weil etwas – oder jemand – dagegengeschleudert wurde.
»O mein Gott«, kreische ich und schlage die Hände vors Gesicht. Was haben wir getan?
Tom ist in 401C rübergeflitzt, um dort durch das Fenster zu schauen. »Er hat den Schreibtischstuhl benutzt, um – Himmel, jetzt klettert er auf das Dach! O mein Gott, wenn doch nur diese dämliche Fenstersicherung nicht wäre …«
»Das war’s«, sagt Pete und geht ein paar Schritte zurück. Er sieht Steven an. »Haben Sie das schon mal gemacht?«
Steven seufzt. »Leider ja«, antwortet er mit einem Achselzucken. »Also los.«
Pete und Steven werfen sich mit der Schulter gegen die Tür von 401A. Da die Wasser Hall so billig gebaut ist, gibt die Tür sofort splitternd unter dem Gewicht der Männer nach. Durch den nun offenen Durchgang sehe ich einen schlanken blonden Mann, ganz in Schwarz gekleidet, der über das Dach des Nebengebäudes flüchtet. Gleich darauf verschwindet er hinter dem Wasserturm.
»Den schnappe ich mir«, sagt Steven und stürmt durch das Zimmer und klettert aus dem Fenster. »Ihr ruft den
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