Keine Schokolade ist auch keine Loesung
ihre kraftvolle Stimme perfekt zur Geltung kommen lässt oder weil es der Titelsong ihres aktuellen Albums ist und ihre erste richtige Ballade im Stil von Mariah. Jedes einzelne Wort von So sue me , das Tania mitkomponiert haben soll, klingt, als würde es eine persönliche Bedeutung für sie haben und aus ihrer tiefsten Seele kommen. Und das glaube ich, denn immer wenn ich diesen Song höre, bekomme ich eine Gänsehaut. Und alle anderen empfinden das wohl ähnlich, da der Song seit Wochen der Nummer-1-Hit hier im Land und in Europa ist. Auch wenn Gesangskünstlern – vor allem so beliebten wie Tania – oft eine Miturheberschaft an den Liedern zugeschrieben wird, die sie singen, heißt das allerdings nicht immer, dass sie tatsächlich an deren Entstehung beteiligt waren. Songwriter erhalten feste Tantiemen von der Plattenfirma, das gilt nicht für Musiker und Interpreten…
»Genau aus diesem Grund möchten wir der Etage ein Rock-’n’-Roll-Feeling geben«, erklärt Lauren. »Mallory und Bridget werden wahrscheinlich ein paar härtere Songs für ihren Auftritt beim Finale wählen. Bei Cassidy wissen wir das nicht genau, mit dieser Mutter …«
»Wir werden Cassidys Agentin empfehlen, das Mäd chen bei Pop zu lassen«, sagt Stephanie entschieden. »Cassidy wird So sue me singen und damit die ganze Konkurrenz hinwegfegen, Tania wird weinen, Cassidy wird gewinnen, und die Sponsoren werden begeistert sein.«
Ich beginne zu verstehen, was Jared meinte, als er sagte, dass ich erstaunt sein würde, wie wenig Realität am Ende tatsächlich in dieser »Doku-Reality«-Soap steckt.
»Da wir gerade von Cassidy sprechen«, sage ich, »als ich vorhin draußen Mrs. Uptons Bekanntschaft machte, musste ich …«
»Später, okay?«, unterbricht Stephanie mich. »Lauren, was sagt die Requisite?«
»Sie sind fertig«, antwortet Lauren, nachdem sie ihr Handy gecheckt hat. »Können wir die neuen Türschilder bei Ihnen im Büro ausdrucken, Lisa?«
»Äh …« Lisa ist sichtlich unsicher. »Sicher, ich schätze schon …«
»Fantastisch«, sagt Stephanie und blickt Davinia an. »Es ist nicht so, dass deine nicht gut waren, Schätzchen. Sie waren nur nicht gut für die Show.«
»Mir ist schlecht«, sagt Jared hinter dem Empfang.
Gavin wirbelt auf dem hohen Drehstuhl zu ihm herum. »Alter, du hast Nasenbluten.«
Das ist die Untertreibung des Sommers – wahrscheinlich sogar des Jahres. In zwei gleichmäßigen Rinnsalen fließt Blut aus Jareds Nasenlöchern und tropft auf sein verwaschenes graues New-York-College-T-Shirt.
Ich bin sofort alarmiert, vor allem, als Jared ironisch erwidert »Glaubst du, ich weiß das nicht?« und den Unterarm hebt. Offenbar kämpft er schon eine Weile lang gegen sein Nasenbluten, weil der Ärmel seiner blauen Kapuzenjacke dunkel verfärbt ist. »Es hört nicht auf. Und ich glaube, ich muss mich gleich übergeben. Könnte jemand vielleicht meinen Hausarzt verständigen – hier, er ist unter Wichtige Kontakte gespeichert …« Er kramt in seiner Jackentasche nach seinem iPhone, dann lässt er es fallen. »Mist.«
Meine Gedanken wandern blitzartig zu einer der vielen Folgen von Freaky Eaters , die ich gesehen habe, und auch zu einem der Personalmeetings, an denen ich in den letzten paar Monaten teilnehmen musste.
»Gavin«, sage ich und stoße die Tür zur Rezeption auf. »Ruf sofort den Notarzt. Brad, mach den Erste-Hilfe-Kasten auf und nimm das Fläschchen Wasserstoffperoxid heraus.«
Gavin greift zum Telefonhörer. »Sorgt dafür, dass er mir nicht hier hinten reinkotzt«, sagt er und wählt den Notruf. »Bringt ihn auf die Toilette.«
»Was ist los?« Stephanies Augen sind weit aufgerissen. »Was hat er?«
»Ich denke, es ist Warfarin«, sage ich und greife unter die Theke nach einer Rolle Toilettenpapier – eins der wenigen Dinge, die den Bewohnern der Fischer Hall gratis zur Verfügung gestellt werden –, um Jareds Nasenlöcher zuzustopfen. »Das ist ein Blutgerinnungshemmer. Er wird auch als Wirkstoff in Rattengift verwendet.«
»O mein Gott«, sagt Lisa, die mir hinter die Theke folgt. Sie reißt Brad das Wasserstoffperoxid aus der Hand und schraubt sofort den Deckel ab, bevor sie Jared das Fläschchen vor das Gesicht hält. »Wie viel soll er davon trinken?«
Ich überlege kurz. »Keine Ahnung. Nur so viel, dass er sich übergeben muss.«
»Äh …« Dr. Jessup beugt sich über die Theke. »Vielleicht ist das nicht …«
»Ach was«, sagt Jared und schiebt Lisa zur Seite. »Keine
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