Keine Schokolade ist auch keine Loesung

einige innerhalb der Studentenschaft. Zurzeit beherbergt das Gebäude fünfzig Mädchen im Teenageralter, die nicht studieren, sondern an einem Rock Camp teilnehmen, das von Trace veranstaltet wird. Es liegt noch keine Stellungnahme dazu vor, ob das Camp beziehungsweise die Dreharbeiten für die Show angesichts dieses neuen Todesfalls unterbrochen werden.«
    Ich ließ das Gesicht in die Hände sinken, während Tanias Worte in meinem Kopf widerhallten. »Ich habe meinen Mann auf der Highschool kennengelernt. Wir waren zusammen im Chor. Ich sang Sopran, er sang Tenor. Aber ich konnte jede Stimmlage singen, und manchmal, wenn Mr. Hall mich brauchte, sang ich auch Alt. Es war mir egal, solange ich einfach nur singen konnte. Singen ist das Einzige, was mich jemals wirklich glücklich gemacht hat.«
    Ich hatte dagesessen und Tania im Schein der Flimmerkiste angesehen – das einzige Licht in dem fensterlosen Raum. Sie hatte so zerbrechlich und verletzlich gewirkt.
    »Vielleicht«, hatte sie hinzugefügt und den Blick auf die kaum wahrnehmbare Wölbung ihres Bauchs gesenkt, »wird mich das Baby glücklich machen. Ich habe andere sagen hören, dass sie wahres Glück erst kennengelernt haben, als sie ihrem neugeborenen Kind zum ersten Mal in die Augen sahen. Aber ich glaube nicht, dass diese Leute wissen, wie es sich anfühlt zu singen. Wenn ich singe, ist es, als könnte mir nichts etwas anhaben, weißt du?«
    Diese Aussage überraschte mich nicht. In Anbetracht von Tanias kometenhaftem Aufstieg zum Ruhm ergab das einen Sinn. Erfolgreiche Menschen sind generell am glücklichsten, wenn sie das tun, was sie lieben.
    Was mich allerdings überraschte, war Tanias seltsame Begründung dafür, warum sie das Singen so sehr liebte. Das konnte ich nicht nachvollziehen. Als könnte ihr nichts etwas anhaben. Was sollte das überhaupt heißen? Wer oder was versuchte, ihr etwas anzuhaben?
    Und wo kam dieser Exmann plötzlich her? Ich hatte nie davon gehört, dass Tania einen Exmann hatte, geschweige denn einen, der noch aus ihrer Highschool-Zeit stammte. Wie konnte Tania Trace einen Exmann haben? Wie war es Cartwright Records gelungen, so etwas aus Tanias Wikipedia-Eintrag herauszuhalten, ganz zu schweigen von »Page Six«? Tania und Jordan hatten noch vor Kurzem eine millionenschwere Hochzeit gefeiert und sich an keinem geringeren Ort das Jawort gegeben als in der St. Patricks’s Cathedral! Normalerweise ist die katholische Kirche ziemlich gründlich darin, solche Dinge zu überprüfen.
    »Wir waren gut«, erzählte Tania weiter, während sie Baby an den Ohren kraulte. »Wir waren die kleinste Schule im ärmsten Bezirk unseres Landkreises, aber wir wurden zum Landeswettbewerb eingeladen. Kennst du das, wenn du mit anderen Sängern auf der Bühne stehst und die Stimmen perfekt miteinander harmonieren und du irgendwann dieses Läuten im Kopf hörst, wie von einer Glocke?«
    Das war der Moment, in dem mir klar wurde, dass sie von ihrem Chor sprach und nicht davon, wie gut sie und ihre Highschool-Liebe als Paar zurechtgekommen waren.
    »Äh … ja, ich glaube schon«, sagte ich und schlug die Augen nieder. Ich wollte nicht, dass Tania die Tränen sah, die sich darin bildeten. Es hört sich albern an, aber ich kenne dieses Läuten, von dem sie sprach. Mir wurde erst in diesem Moment bewusst, wie sehr ich es vermisse. »Das ist also passiert, wenn ihr aufgetreten seid? Ihr habt gemeinsam dieses Läuten zustande gebracht?«
    »Ja«, sagte sie und lächelte, als wäre sie erleichtert, dass ich verstand. »Wir … verschmolzen miteinander, weißt du? Der ganze Saal war still nach unserem Auftritt. Die Leute saßen da und lauschten dem letzten Echo unserer Stimmen, bis sie endgültig verklungen waren … Erst dann standen sie auf und fingen an zu applaudieren. Wie nennt man so was, Heather?«, fragte sie mich mit einer Naivität, die mich ein bisschen an Jordan erinnerte.
    »Stehende Ovationen?«, sagte ich.
    »Nein, nicht das. Wenn Stimmen so perfekt miteinander harmonieren.«
    Großzügigkeit, hätte ich am liebsten geantwortet. Wenn keiner in einem Chor versucht, die anderen auf der Bühne auszustechen, weil jeder sich in den Dienst der Gruppe stellt, dann nennt man das Großzügigkeit, und es ist extrem selten. Normalerweise findet man das eher bei Berufschören und, dessen war ich mir ziemlich sicher, bei jedem Chor, in dem Tania Trace mitwirkte, weil alle anderen Sänger spürten, was für eine fantastische Stimme sie besaß, und hofften,