Keinen Plan, ein Paar Socken und 1000 km vor sich...
Universaldistanz für alles genommen. Das Sandwich in
der Bar mit einem frisch gepressten O-Saft und einem Café con leche sind zwar
nicht ganz preiswert, entschädigen aber für die Strapazen und die Tatsache,
dass es annähernd sieben Kilometer anstatt der angekündigten zwei waren. Das
durch meinen Pilgerführer und auch Hape beschriebene Denkmal in Form eines
kaputten Fahrrads, in Gedenken an einen verunglückten Radfahrer, verpasse ich.
Ich suche es zwar noch Eis essend, aber da ist es wieder … das bestätigte
Vorurteil, dass Männer nicht multitaskingfähig sind. Essen und Atmen sind ja
auch schon zwei Sachen auf einmal. Ich bin am heutigen Tage wirklich müde und
froh, als wir in unserer „Megaherberge“ in Ponferrada ankommen. Es ist die
einzige im Ort, beinhaltet aber nichts desto trotz circa 270 Betten. Das Schöne
an diesen großen Herbergen ist, dass sie gut organisiert sind, die Küchen
genügend Ausstattung enthalten und die Duschen meist in ausreichender Zahl
vorhanden sind. Zudem trifft man immer viele Bekannte. Der Nachteil aus meiner
Sicht ist halt dieses riesige Konstrukt. Ich fühle mich in den kleineren,
überschaubaren Herbergen einfach wohler.
Wir gehen nach der Ankunft in die Stadt und wollen uns die
Templerburg angucken. Andere Pilger raten uns die sechs Euro zu sparen und
für‘s Abendessen auszugeben. Vor Ort erfahren wir, dass eine Ausstellung, die
so gar nichts mit den Templern zu tun hat, präsentiert wird. Wir entscheiden
uns für das Touristenfoto mit der Burg im Hintergrund, damit wir auch ja allen
sagen können „Wir waren da!“ und gehen für unser Abendessen einkaufen. Nach dem
Essen hat Andreas „some annoying games“, wie er sich so schön ausdrückt, auf
Lager. Sie sind wirklich lästig – wir spielen sie trotzdem mit Genuss!
Noch eine Geschichte am Rande, die Sandy nicht nur auf dem Weg
später jedem erzählt hat, nein er hat sie sogar in der ersten Messe in Seattle
berichtet: Ich treffe an jenem Abend Joy (Kanada) und Paulette
(Krankenschwester aus San Francisco). Sie berichten, dass ich gestern hätte in
ihrer Herberge sein sollen. Dort wäre ein Mädel umgekippt. Nichts
weltbewegendes, aber immerhin umgekippt. So wäre ich doch als Feuerwehrmann
quasi prädestiniert gewesen zu helfen. Meine Antwort darauf:
„Ladies, I‘m sorry. The priest and me are on holiday. Today I‘m not saving
lifes and he‘s not saving souls!“
An diesem Abend gewinnen wir, respektive Sandy, übrigens
den Kampf um die offene Türe nach draußen. Die letzte Pilgerin, die sich noch
versucht doof anzustellen und behauptet, sie hätte keinen Schlüssel für die
Türe, ist sofort entlarvt. Ein Kellerraum mit ca. 90 Betten benötigt zwei
bauliche Rettungswege – auch in Spanien. Die Türe kann man nicht abschließen,
niemals! Also entschwindet Sandy kurz nach ihr zur Tür und keilt sie zumindest
einen Spalt weit wieder auf. Yuhuu! Eine Nacht mit Frischluft!
08.06.: Ponferrada – Villafranca del Bierzo (24,8km)
Ich werde morgens aus dem Tiefschlaf gerissen, als mich
Sandy weckt … wie gut man schlafen kann, wenn der Kohlendioxidgehalt in der
Umgebungsluft nicht wieder gefährlich nahe der magischen (tödlichen) 8% Marke
liegt. Eigentlich hatten Sandy und ich vor, uns unterwegs Frühstück zu
besorgen. Die anderen haben aber dann soviel eingekauft, dass wir mitessen
müssen, um nicht den Rest wegzuschmeißen. Es dauert trotzdem nur gute anderthalb
Stunden, bis das zweite Frühstück ruft. Die Bar hat einen halbwegs schnellen
Internetzugang. Ich entscheide mich, nach dem positiven Bescheid meines
Sättigungsgefühls erst einmal zu versuchen, den Blog nachzutragen. Die anderen
hole ich schon wieder ein … Gesagt getan, sitze ich schreibend am Rechner, als
die anderen weiter ziehen. Ich habe noch nicht wirklich viel geschrieben, als
es von draußen an die Scheibe klopft. Ich verwechsle die beiden, als sie
reinkommen und spreche sie auf Englisch an. Der Gesichtsausdruck und die Frage,
warum ich auf einmal Englisch spreche, machen mich stutzig. Ich hatte gedacht
es wären Matusch und Monika … die ich vor wenigen Tagen kurz kennen gelernt
habe. Aber es ist das Hamburger Pärchen – Simone und Eike – die kurz Pause
machen. Wir gehen zusammen weiter und haben das erste Mal seit
Saint-Jean-Pied-de-Port Zeit zusammen, um das Erlebte zu besprechen. Wir
erzählen und erzählen, als wir kurz vor der ersten der beiden im Pilgerführer
angekündigten Weinproben den Rest der Truppe
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