Keinen Plan, ein Paar Socken und 1000 km vor sich...
Wunder, dass keiner dabei verletzt
wird und unser Pisa-Mangelexemplar sogar noch unsere Abreise ohne Einsturz
durchhält. Heutiges Tagesziel ist Foncebadon. Es liegt auf knapp 1424 m, nicht
weit unterhalb des höchsten Punktes der Strecke nach Santiago. Zumindest für
die Pilger, die aus St.-Jean-Pied-de-Port gestartet sind.
Der Somportpass, eine Alternativroute zu
St.-Jean-Pied-de-Port ist gemäß Pilgerführer mit 1632 Höhenmetern noch ein
Stück höher. Wir (Sandy, Alex, Nikki, Andreas und ich) bekommen in der
öffentlichen Herberge die Notbetten in der Kapelle. Bea und Catia holen uns
ebenfalls noch ein – sie haben die letzte Nacht in Astorga verbracht und
bekommen heute ebenfalls zwei Notmatratzen. Bea hat mittlerweile neue Stöcke.
Somit können wir alle zusammen schlafen und hoffen darauf, dass kein weiterer
Pilger mehr dazukommt. Soviel Glück haben wir dann doch nicht, aber immerhin
ist es nur ein portugiesisches Pärchen, das lange vor uns ins Bett geht und
auch erst mit uns aufstehen wird. Das deutsche „Hospitalera-Ehepaar“ kocht
diesen Abend für uns. Da immer mehr Pilger kommen, bündeln sie alle Vorräte,
und aus der Bohnensuppe wird ein Gemüseallerlei, das nach der Abendandacht
serviert wird. Gute deutsche Hausmannskost! Die Andacht wird übrigens in fünf
Sprachen abgehalten und ist auch für Konfessionslose ein Erlebnis. Wir hatten
ein bisschen Sorge, nicht satt zu werden und haben im Nachmittag schon einmal
ein prä-Dinner mit Pommes abgehalten. Die Sorge war unbegründet, ich habe den
Topf leer machen „müssen“ und quasi einen vierten Teller Suppe zugeteilt
bekommen. Anschließend wird gemeinsam abgewaschen. Wir ziehen unsere gekauften
Weinflaschen, die Schokolade sowie Chips, die wir nachmittags gekauft haben,
aus dem Hut und lassen den Abend ausklingen.
Unser Finne gibt sich zur Belustigung aller noch die Ehre,
einen Sketch vorzuführen. „My blackberry is not working“. Als wir zu Bett gehen
schlafen die anderen schon lange … es ist ja auch 22:30 Uhr. Die Nacht in der
Kapelle wird ein bisschen zugig. Zusätzlich fällt die Temperatur gefühlsmäßig
drastisch nach unten. Es ist die erste Nacht, in der ich meinen Schlafsack bis
oben hin zuziehen muss.
07.06.: Foncebadon – Ponferrada (26,5km)
Der Morgen ist bescheiden. Es regnet zwar nicht, aber durch
den Nebel und die resultierende Luftfeuchtigkeit – wir stehen quasi mitten in
den Wolken – ist es so kalt, dass man durchaus Handschuhe gebrauchen könnte.
Ich weihe meine Regenhose das erste Mal fast funktionsgerecht ein und nutze sie
zumindest als Windschutz. Wir gehen rauf zum Cruz de Ferro. An diesem
symbolträchtigen Punkt des Caminos legen Pilger gewöhnlich einen Stein oder
andere Dinge ab, als symbolisches Zeichen für das Ablegen innerer persönlicher
Lasten. Ich hatte in Erwägung gezogen, Gabi hier zu lassen. Aber sie hat sich
schon vor Tagen aus dem Staub gemacht.
Nun, es ist wirklich ein Ort, an dem nicht viel gesprochen
wird. Die Leute stehen zumeist alleine oder auch zu zweit auf dem Hügel und
„werfen“ ihren Ballast ab.
Viele der Menschen sind tief gerührt, weinen oder halten
zumindest inne, um diesen Steinhaufen auf sich wirken zu lassen. Außer den
Steinen liegen hier die verschiedensten anderen persönlichen Gegenstände:
Fotos, Schuhe, Briefe, Muscheln, Blumen, etc. Auf dem anschließenden Weg bergab
sprechen wir kaum ein Wort. Jeder denkt über das gerade Erlebte nach. Das ändert
sich erst, als wir an einer Herberge der „Templer“ vorbeikommen. Ein gewisser
Tomás war eigentlich auf dem Weg nach Santiago, als er sich entschied in der
Abgeschiedenheit für die Pilger zu sorgen, so berichten es zumindest Raimund
Joos & Michael Kasper, die Autoren meines Pilgerführers. Seine Absicht
scheint mir löblich. Jedoch lassen das „Anwesen“ und auch seine Bewohner mich
von einem Besuch absehen. Es laufen überall Hunde und Katzen herum und ich kann
beim besten Willen nicht sagen, ob das wirklich ein Haus oder doch eher ein
Tierklo ist. Wenn ich Messiewohnungen sehen – oder besser gesagt riechen –
möchte, habe ich in meiner beruflichen Karriere weiß Gott noch Gelegenheit
dazu. Bea trinkt hier einen Kaffee, bei mir reicht es noch nicht mal für ein
Foto.
Es geht nun weiter bergab und trotz Beteuerung unseres
Brasilianers, es seien nur noch „dos kilometros“ bis zur nächsten Bar … zieht
es sich. Ich habe Hunger! Die dos kilometros werden übrigens ein weiterer
running gag und später als
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