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Keinen Plan, ein Paar Socken und 1000 km vor sich...

Keinen Plan, ein Paar Socken und 1000 km vor sich...

Titel: Keinen Plan, ein Paar Socken und 1000 km vor sich... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Sedlacek
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Albtraum – wäre mit von der Partie. Das brauche ich nicht einen
zweiten Abend infolge. Wie es der Zufall so mit sich bringt, hat Doreen aus dem
Zimmer nebenan auch keine Pläne für den Abend und wir kaufen Käse, Salami,
Oliven, Obst und Milka-Schokolade und essen sie auf dem gleichen Platz, an dem
ich auch zu Mittag gegessen habe. Billiger und trotzdem so gut kann man nicht essen.
Sie ist Meisterfloristin und weiß einiges über den Baustil der Kirche zu
berichten. Die Unterschiede zwischen Gotik, Barock … habe ich nicht behalten
können. Nur, dass Barock Kitsch ist. Aber ich glaube meine nächste Brandwand,
die ich im Bauantrag fordern werde, erhält ein gotisches Fenster.

20.05.: Viana – Navarrete (22,2km)
    An diesem Morgen hätte ich um ein Haar meine Sandalen
vergessen. Nicht nur, dass es schade um die teuren Dinger gewesen wäre.
Gleichzeitig hätte dies den Supergau schlechthin bedeutet, denn neue bekommt
man hier nicht überall und ich brauche in jedem Fall Schuhe, die ich nach
meinen Etappen in der Herberge und u.a. auch zum Duschen anziehen kann. Je nach
Hygienezustand der Herberge ist mir das lieber. Und die differieren in erheblichem
Maße. Wenn man auch sagen muss, dass bisher eigentlich keine Herberge dabei
war, vor der man sich hätte ekeln müssen. Aber angenehmer ist es manchmal doch,
mit Schlappen zu duschen. Soweit so gut; dank Joones Aufmerksamkeit und ihrer
Bereitschaft mir trotz müder Beine hinterherzulaufen, um mir Bescheid zu sagen,
dass meine Schlappen noch in der Herberge sind, musste ich keinen Verlust
beklagen.
    Ich bin die Etappe allein gewandert, zumindest bis Logrono.
Dort angekommen habe ich auf einem Strommast mein erstes Storchenpärchen in
freier Wildbahn gesehen. Auf der Brücke nach Logrono treffe ich Monique aus der
Schweiz und Sandy (Sandford) aus den USA. Wir gehen zusammen durch Logrono und
machen vor dem Parlament Rast. Habe Sandy gestern Abend am Waschbecken kennen
gelernt, als er neben mir eine seiner Pillen ins Waschbecken fallen ließ. Wir
guckten uns nur gegenseitig an und schüttelten beide den Kopf – nein essen
würden wir die nicht mehr. Sekunden später fällt ihm die ganze Pillendose ins
Becken. Wir guckten uns ein zweites Mal wie im Stummfilm an und nickten „Ja,
geschlossene Pillendose geht in Ordnung.“ Das ist übrigens die Kennenlern-
Geschichte von Sandy und Sebastian, die noch einige Male auf dem Camino erzählt
werden wird.
    Ich muss noch meine Travellerschecks eintauschen, so stapfe
ich durch Logrono und benötige eine geschlagene Stunde, um eine Bank zu finden
und bei einer Schlange von drei Leuten mein Geld zu bekommen. Geld drucken geht
schneller. Daher bin ich jedenfalls wieder alleine, entscheide aber, den
Versuch zu starten, die anderen einzuholen (Sandy &/oder mein Trio). Also
ziehe ich an meinem Tempo und überhole viele – nur nicht die gesuchten. Es ist
verdammt heiß, die 25 Grad fühlen sich bedeutend wärmer an. In Navarrete
angekommen sehe ich an der ersten Herberge eine Schlange und gehe direkt zur
Privaten, die sich der Beschreibung nach auch bedeutend besser anhört. Auf dem
Weg fragen mich noch zwei deutsche Damen nach einer Unterkunft, also gehen wir
zu dritt. Die Herbergsmutter verneint freie Betten für drei und sagt sie wären
voll. Auf meinen Versuch, Dolmetscher auf Spanisch für die Frauen zu spielen,
erklärt sie allerdings, dass ein Bett noch frei wäre und ich es haben könne.
Was soll’s, die Frauen wollten sowieso ein Doppelzimmer. So bekomme ich das
letzte freie Bett im Ort und treffe als Erstes in der Küche mein französisches
Pärchen. Sie kommt ursprünglich aus dem Elsass, spricht ein bisschen Deutsch
und beide laden mich auf einen Wein ein. Die Herberge ist sauber, ich erhalte
einen Kissenbezug (das erste Mal) und lasse die Wäsche nach einer Woche mal mit
der Maschine waschen. Nur mit der Hand ist auch nicht das Wahre.
    Nach mir stoßen noch drei weitere Pilger dazu (zwei
Männlein, ein Weibchen), die reserviert hatten. In privaten Unterkünften ist
dies möglich und durchaus an der Tagesordnung. In den öffentlichen geht es frei
dem Motto zu: „Wer zuerst kommt, malt zuerst.“ Sie sprechen nur Spanisch, bzw.
Portugiesisch. Einen der Drei – soviel sei verraten – werde ich später als
echten Freund schätzen lernen.
    Meine Pflichten erfüllt, gehe ich melancholisch in die
Stadt. Mein Trio ist fort – auch nicht in den anderen Herbergen, die ich abklappere,
eingekehrt – und Sandy ist auch fort.

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