Keiner flirtet so wie du
man es leid, immer eine Show abzuziehen.“ Er sprach so leise, dass sie erst glaubte, sich verhört zu haben, doch bevor sie nachfragen konnte, stimmten Storm und die Band einen Evergreen an, der den Saal zum Beben brachte, und so blieb ihr nur, über Lucas Worte nachzudenken, während die wenigen Gäste in der Bar tobten und johlten.
Auf den ersten Blick wirkte Luca entspannt. Sein Fuß wippte im Takt der Musik, während sein Arm über ihrer Stuhllehne lag. Doch ging von ihm eine unterschwellige Anspannung aus, als würde er seine letzte Bemerkung bereuen.
Sein ganzes Leben verbrachte er im Auge der Öffentlichkeit. War es das, was er meinte? Dass sein Leben sich wie eine Show anfühlte? Wenn ja, dann tat er ihr leid. Für Berühmtheit zahlte man einen hohen Preis. Im Laufe der Jahre hatte sie immer wieder erlebt, wie Rockstars daran zugrunde gingen, unter ständiger Beobachtung der Paparazzi zu stehen und egal, was sie taten, am nächsten Tag darüber in der Zeitung zu lesen.
Nie wäre sie darauf gekommen, dass Luca unter demselben Druck stand. Am Anfang hatte sie ihn für einen arbeitsscheuen Playboy gehalten, der durch die Weltgeschichte gondelte und sich, wenn sein Jetset-Leben es erlaubte, für Wohltätigkeitsorganisationen engagierte. Doch er war viel mehr als das, besaß so viele Facetten, dass sie wegen ihrer Voreingenommenheit ein ganz schlechtes Gewissen hatte.
Lucas Hand streifte ihre Schulter, und sie lächelte. Am liebsten hätte sie sich entschuldigt.
„Weißt du, so schlimm ist er gar nicht“, lenkte er ein.
Lächelnd sah sie zu Storm hinüber, der älteren Pärchen in der Nähe der Bühne ein Ständchen brachte. Die Frau errötete von ihrem faltigen Hals bis zu den Wurzeln ihrer lila gefärbten Haare. „Ja, für eine Miva ist er ganz okay.“
Luca zog die Augenbrauen hoch. „Miva?“
„Männliche Diva.“
Er lachte, und sie wandte rasch den Blick ab, bevor sie noch dem Charme seiner Grübchen erlag.
Als sie den Blick stur auf die Band gerichtet hielt, legte er einen Finger unter ihr Kinn und dirigierte ihren Kopf zurück in seine Richtung. „Weißt du, wer auch ganz okay ist, wenn sie sich entspannt?“
Sie schluckte, als sie die unverhohlene Bewunderung in seinen tiefblauen Augen sah.
„Ich bin die ganze Zeit entspannt“, erklärte sie und hielt die Luft an, als er mit dem Daumen über ihre Unterlippe strich.
„Das finde ich nicht.“ Er beugte sich näher, bis der Abstand zwischen ihnen höchstens noch einen Millimeter betrug. „Du bist einer der ehrgeizigsten Menschen, die ich kenne. Arbeitszeiten sind dir egal. Du machst deinen Job, egal, was es erfordert. Und ich frage mich …“
„Was?“
„Ich frage mich, warum sich eine schöne, intelligente Frau wie du in Arbeit vergräbt, statt sich zu entspannen.“
Oje, mit dieser scharfsichtigen Bemerkung hatte er mitten ins Schwarze getroffen. Um seiner bohrenden Frage auszuweichen, versuchte sie, von ihm abzurücken. Vergeblich.
„Ich entspanne mich oft genug.“
„Bist du jetzt entspannt?“
Seine Lippen berührten ihre in einem flüchtigen Kuss, der vorbei war, ehe er richtig begonnen hatte. Und sofort sehnte sie sich nach mehr.
„Entspannung ist eine Frage der Einstellung.“
Sie sagte das Erste, was ihr in den Sinn kam, worauf er lachte und ihr den Arm um die Schulter legte.
„Du bist eine faszinierende Frau.“
„Und du kannst ganz schön lästig sein“, seufzte sie, und er lächelte.
„Sieht so aus, als hätten wir Publikum.“ Luca deutete zur Bühne, wo Storm, in ihre Richtung feixend, eine Ballade anstimmte.
Charli wand sich innerlich. „So viel zum Thema Professionalität.“
„Du bist nicht im Dienst. Mach dir das Leben nicht so schwer.“
„Aber ich sollte mit gutem Beispiel vorangehen. Ich sollte den Überblick behalten …“ Hilflos verstummte sie, denn sie wusste genau, warum es so wichtig war, den Überblick zu behalten. Weil Luca ihre Schutzwälle einen nach dem anderen zum Einstürzen brachte und der Wahrheit, warum ihr dieser Job so viel bedeutete, immer näher kam.
Ihre Angst musste sich in ihrem Gesicht widerspiegeln, denn seine Miene wurde milder, und er zog sie sanft an sich.
„Es ist okay, ab und zu die Kontrolle zu verlieren“, murmelte er und küsste sie auf den Kopf. „Solange ich in der Nähe bin.“
Seufzend schmiegte sie sich an ihn. Sich in seiner Gegenwart zu entspannen war nicht das Problem. Das Problem war, danach wieder einen klaren Kopf zu bekommen.
8.
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