Keiner wie er (German Edition)
dem Hirn zu vögeln. Er wollte nur auf annehmbare Weise mit dem Verlust leben lernen. Und dazu gehörte – neuerdings – auch wieder, dass er abends öfter ausging. Dazu nutzte er gern die Clubs, Tinas Hinweis erwies sich als durchaus hilfreich. Hier gab es jede Menge Frauen, die das suchten, was er wollte. Eine Nacht, eventuell zwei, je nachdem, wie gut man miteinander auskam.
Bald stellte Daniel fest, dass es durchaus funktionierte. Besser als damals, denn es stieß ihn nicht mehr ab. Vielleicht, weil er jetzt wusste, dass das Phantom namens Tina keines darstellte. Selbstverständlich ging er nicht an jedem Abend aus, das wäre aufgrund seines Berufes kaum möglich gewesen. Doch einmal die Woche ließ er sich im Club blicken und erkannte mit Erleichterung, dass er mit seinen vierunddreißig nicht zum alten Eisen gehörte. Wie heimlich bei seiner vorübergehenden Midlifecrisis befürchtet. Ein gutes Heilmittel für sein äußerst angekratztes Ego, dass er es immer noch hatte.
Inzwischen lief es sogar besser. Denn mit zweiundzwanzig/dreiundzwanzig bereitete es oft einige Schwierigkeiten, eine Frau klarzumachen. Heute konnte er zwischen Mädchen und Frauen wählen, was eine ganz neue Erfahrung darstellte. Daniel amüsierte sich, jedoch nicht über Gebühr. Ein Abend mit einer hübschen Frau bedeutete nicht zwangsläufig, dass er sie auch mit zu sich nach Hause nahm. Jedenfalls lautete so nie das vorrangige Ziel, auch wenn es meistens dort endete.
Nach einigen Wochen begann Daniel zu begreifen, dass sein Leben so bleiben würde. Unvorstellbar, mangels der richtigen Alternative irgendeine Frau zu nehmen, sie zu schwängern, um dann endlich ein Pseudokind mit der Falschen zu haben. Und so verabschiedete er sich endgültig von dem Gedanken an eine Familie, auch an eine dauerhafte Beziehung. Seine bisherigen Erfahrungen in dieser Richtung waren immer nur der peinliche Versuch gewesen, Tina zu ersetzen. Blamabel und nicht fair. Obwohl es ihn verdammt viel kostete, beschloss er, diesen Aspekt seines Lebens hinter sich zu lassen und sich damit abzufinden, allein zu bleiben. Mit jeder Menge Frauen, die ihm das Dasein durchaus angenehm gestalten konnten.
Bald kam er dahinter, dass es genügend weibliche Wesen gab, die es ähnlich wie er hielten. Nie fragte er, in Wahrheit interessierte es ihn auch nicht sonderlich. Doch er schätzte, dass viele aufgrund mieser Erfahrungen diesen Weg beschritten.
Das traf sich gut. Auch sie stellten keine Fragen. Man amüsierte sich im Club, manchmal auch danach. Entweder in Daniels Appartement, oder in ihrem. Und er fand Freude an diesem Leben. Immer mehr.
Er begann zu experimentieren, y eah!, versuchte all die Dinge, die er bisher, aus nicht nachvollziehbaren Gründen nie umsetzte.
Warum? Mittlerweile betrachtete er sein Zaudern als sehr dämlich und keineswegs weitsichtig.
In absehbarer Zeit (ungefähr vierzig Jahre ab heute) würde er ein alter Mann sein. Dann folgte unweigerlich die Reue. Und er würde bereuen, damals, als Jüngling, dieser Frau nachgetrauert zu haben, anstatt zu leben. Diese Frau würde zu diesem Zeitpunkt selbstverständlich nur noch eine flüchtige Erinnerung sein. Daniel wollte nicht irgendwann auf sein Leben zurückzublicken und sich Dinge sagen, wie: Hättest du damals ... Warum warst du nicht ... Weshalb bist du nicht ...
Jedenfalls unternahm er jede Anstrengung, um diesem grausamen Schicksal zu entgehen. Nicht ausschweifend oder exzessiv, dafür intensiv, genoss er jede Minute, die er auf diese Art verbrachte. Um viele handelte es sich ohnehin nicht. Dies stellte eine durchaus vertretbare Symbiose aus dem alten und dem neuen Daniel dar – fand er. Eine, die er nach allen gängigen Gesichtspunkten vor sich gutheißen konnte. So sollte es sein.
Auf den heutigen Abend freute er sich seit vierzehn Tagen. Zwei Kollegen waren erkrankt, einer im Urlaub und daher sah es momentan mit Freizeit eher schlecht aus. Mit Begeisterung bereitete er sich vor, schwor, heute garantiert nichts anbrennen zu lassen, zog auch das eine oder andere Experiment durchaus in nähere Erwägung und verließ am frühen Abend sein Appartement.
In Richtung Club …
* * *
Als Tina endlich das Haus erreichte, in dem Daniel wohnte, war es weit nach neun Uhr am Abend.
In der Hotellobby hatte sie spontan entschieden, es könne nicht schaden, zum Friseur zu gehen, bevor sie ihn aufsuchte. Die widerlichen Selbstvorwürfe wegen ihrer verdammten Feigheit schob sie mit erstaunlicher
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