Keiner wie er (German Edition)
dass Jonathan schlecht von ihnen dachte. Keineswegs verschwieg Tina, dass sie ging, Daniel nach ihr suchte und sie fand. Selbst das Kidnapping wurde erwähnt, was zu einer erhobener Augenbraue und schließlich fassungslosem Kopfschütteln führte. „Wir dachten, ihr hättet euch ...“
Ja, das lag ja auch irgendwie nahe, oder? Jedenfalls, wenn man das Ganze von außen betrachtete. Was sollte sie schon sagen? Nicht einmal Tina konnte diesem Mann genau erklären, wo das Problem lag. Auch wenn er es noch so gern erfahren hätte. Außerdem wären in diesem Fall für ihren Geschmack zu viele Informationen preisgegeben worden. Dinge, die nicht einmal Jonathan erfahren durfte.
Deshalb war sie ganz froh, als sie endlich Ithaka hinter sich ließ und sich auf dem Rückweg nach New York befand. Die vertrauten Häuser rauschten an ihr vorbei, dennoch fühlte sie sich kaum mit ihnen verbunden. Nostalgie, wie auch immer geartet, wollte sich nicht einstellen. Alles wirkte fremd. Vielleicht, weil sie wusste, dass das Wichtigste fehlte.
Bevor sie sich auf den nächsten beschwerlichen, weil unkalkulierbaren Weg begab, ging sie zurück ins Hotel. Dort stand sie minutenlang vor dem Badspiegel und stellte sich ein letztes Mal die entscheidenden Fragen:
Willst du das wirklich durchziehen?
Ja.
Bist du bereit, mit allen Konsequenzen zu leben?
Ja.
Mehr musste sie nicht wissen. Ein letzter Make-up- und Kleidungs-Check folgte. Zum ersten Mal seit, oh, verdammt, sehr, sehr langer Zeit, wollte sie für einen Mann gut aussehen. Nicht, um einen Auftrag zu ergattern oder ihm in aller Deutlichkeit zu demonstrieren, was er alles nicht bekommen würde, sondern nur, damit er ihren Anblick genoss.
Dann straffte sie sich, holte tief Luft und ging.
* * *
Daniel hatte die Zeit im Senegal tatsächlich geholfen.
Nicht vergleichbar mit seiner Heimat, gestalteten sich die Bedingungen dort grauenhaft. Während der vergangenen sechs Wochen sah er ungefähr das Hundertfache an Menschen sterben, wie im gleichen Zeitraum in seiner Klinik. Dort starb nämlich so gut wie nie jemand. Trotzdem nutzte er die Gelegenheit, um sein Hirn anständig durchzublasen.
In den letzten Tage vor seiner Abreise hatte er tatsächlich nichts anbrennen lassen. Leider musste er im Rückblick einsehen, wohl eher eine Karikatur des Daniel Grant vor zehn Jahren gegeben zu haben, und das gefiel ihm absolut nicht. Vielleicht machten sich Toms Grimasse und pausenloses Augenverdrehen auch hilfreich aus, auf dem Boden der Tatsachen zu gelangen. Dies hätte er dem besserwisserischen Idioten natürlich nie auf die Nase gebunden. Der begleitete ihn nämlich hin und wieder in der kurzen Zeit von Daniels zweiter Sturm- und Drangphase. Jedenfalls, bis Fran und Clara dem im Duett einen Riegel vorschoben.
Es genügte. Auf eindrucksvolle Weise wurde ihm demonstriert, dass es durchaus seine Vorteile in sich barg, Single zu sein. Niemand konnte einen zwingen, vernünftig zu werden. Nur man selbst.
Wenn man über einen halbwegs funktionierenden Verstand verfügte, gelang das sogar nach einigen Fehlversuchen. Also, er gelangte am Ende immer ans Ziel.
Wie ein trotziges Kind hatte er sich aufgeführt und das, wo Trotz nicht seine Baustelle war. Daniel wollte Tina hinter sich lassen. Und zwar auf eine vor sich selbst vertretbare Weise, bei der er keinen Schritt in einer Entwicklung zurückging, die er ihrer Ansicht nach ja nie genommen hatte. Seine Verbitterung überlebte den Aufenthalt im Senegal nicht. Auch nicht die Trauer – jedenfalls die sengende.
Und als er nach sechs Wochen zurückkehrte, hatte er es tatsächlich überwunden. Die Perspektiven befanden sich im rechten Licht und er entschied, nichts mehr in Sachen Tina zu unternehmen. Das schuldete er ihr wohl irgendwie. Außerdem konnte man Liebe ja wohl kaum forcieren.
Die Dinge zwischen uns verhielten sich immer einseitig ...
Gut!
Dann konnte man eben nicht erzwingen, dass sich die betreffende Person auch widerstandslos lieben ließ! Er wollte ihr nicht weiter nachjagen und sich zum Trottel machen. Ihretwegen hatte er sogar geheult!
Er!
Ein spöttisches Grinsen überzog flüchtig sein Gesicht. Okay, möglicherweise sollte er stattdessen Jane ausfindig machen, um der die frohe Botschaft zu verkünden, dass sie als Wahrsagerin wirklich gutes Geld machen konnte.
Vergessen wollte er Tina nicht, dieses Unterfangen hätte ohnehin keinerlei Erfolgsaussichten gehabt. Auch verfolgte er nicht die Absicht, sie sich mit anderen Frauen aus
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