Keiner wie er (German Edition)
fünften Bar/Club wurde Tina nicht etwa müde, stattdessen machte sich ihre unerschütterliche Sturheit bemerkbar. Einmal mit dem total dämlichen Unterfangen begonnen (degenerierte Hirnaktivität, huh?), würde sie nicht eher ruhen, bis der Erfolg sich auch einstellte. Vorsorglich hatte sie Niclas einen Hundert-Dollar-Schein gegeben. Um den zu verfahren, würde es eine Weile dauern. Bald stellte sich heraus, dass der einige Adressen kannte, die Google nicht führte. Es ging eben nichts über einen Ortskundigen.
Nach der zehnten Bar/Club machte Niclas eine kleine Krise durch. „Vielleicht sollten Sie es einfach morgen noch mal versuchen“, schlug er vor.
„Nein!“
„Na ja, wenn Sie meinen, dass er das wert ist. Also, ich könnte mir vorstellen ...“
Tina lächelte sanft. „Aber ich habe Sie nicht nach Ihren Vorstellungen gefragt, Niclas. Wie lautet die nächste Adresse?“
Beleidigt schien er nicht, eher zeugte sein Blick von tiefster Sorge. Stöhnend registrierte Tina, dass der sie auch endlich für durchgeknallt hielt. Nun gut, solange ihn das nicht zu irgendwelchen Kidnappingplänen veranlasste, um sie zu retten , konnte ihr herzlich egal sein, was der Typ von ihr dachte. „Fahren wir jetzt?“
„Klar doch!“ Und schon setzte sich das Yellow Cap wieder in Bewegung.
Bei der nächsten Adresse handelte es sich um einen Club. „Fünf Minuten!“, sagte Tina wie immer beim Aussteigen. Der Deal lautete, Niclas sollte fahren, wenn sie innerhalb dieser Frist nicht wieder auftauchte. Was bedeutete, je länger sie benötigten, desto geringer fiel sein Trinkgeld aus.
Die Türsteher erwiesen sich als leicht zu händeln, nach drei Sätzen hatte Tina sie überwunden. Und kurz darauf betrat sie den spärlich beleuchteten, riesigen, gut besuchten Raum, in dem ohrenbetäubend laute Rockmusik spielte. Der Tresen befand sich in der hintersten Ecke und so drängte sie sich durch die Menge, bis sie diesen Bereich komplett einsehen konnte.
Beschäftigt mit der Sondierung der besetzten Hocker, schob sie ohne tatsächliche Anteilnahme einen Mann beiseite, der sich mit eindeutigem Grinsen vor ihr aufbaute. Was er sagte, konnte Tina nicht verstehen. Kein Problem, sie kannte alle gängigen Sprüche zur Genüge. Es handelte sich immer um die gleichen, langweiligen Floskeln.
Kurz darauf stellte sie fest, dass auch dieser Versuch an die Daumen-Runter-Seite ging.
Dennoch suchte sie soeben ein Déjà vu der besonderen Art heim. Denn dieser Laden schien ein wenig anders aufgebaut, als die anderen, die sie heute bereits besuchte. Die Atmosphäre wurde trotz der heißen Musik etwas kuscheliger gehalten, weil an jedem verfügbaren Platz Sofas standen.
Und als Tina ein letztes Mal ihren Blick schweifen ließ, wurde sie Opfer des nächsten Déjà vus.
Diesmal eines Grausamen …
* * *
Seit vielen, vielen Jahren, war Daniel zum ersten Mal wieder total ausgelassen.
Unbeschwert genoss er die Musik, auch die Atmosphäre an sich, hatte bald den vierten Whisky geleert und amüsierte sich mit Sina (ha!) und Tina (haha!) auf einem der vielen Sofas, das längst seinen Stammplatz darstellte. Die beiden Blondinen waren ihm bereits kurz nach seinem Eintreffen aufgefallen. Wie sie wirklich hießen, wusste er nicht, doch ihre gefakten Namen machten die Angelegenheit erst perfekt. Sie sollten diese undeutlichen Schemen bleiben, umso leichter konnte er sie nach diesem Abend gedanklich von sich schieben.
Diesmal fühlte Daniel sich rundum wohl. Mit reichlicher Befriedigung stellte er fest, dass es keiner der anwesenden Männer mit ihm aufnehmen konnte. Nicht einer von ihnen wusste, wie man auf diffizile und bestechende Art eine Frau für sich gewann. Und zwar so, dass die nicht anders konnte, als auf das unmoralische Angebot einzugehen. Mit zunehmendem Alkoholeinfluss sank die Hemmschwelle der anderen und die Anmachen wurden noch mieser und einfallsloser, als bisher. Was bedeutete, sie würden reihenweise allein nach Hause gehen.
Daniel hielt sich da besser an den altbewährten Stil.
Er raunte Sina ein paar nette Worte ins Ohr – erwartungsgemäß schmolz die dahin – während er Tina (haha, je öfter er den Namen sagte, desto witziger erschien ihm die gesamte Geschichte) freundlich die Wange streichelte. Nebenbei versorgte er die Mädchen regelmäßig mit ihren Lieblingsgetränken – Gin, oh Mann, er kam heute aus dem Gelächter gar nicht mehr heraus. Diese Kombination half schon immer und zähmte am Ende auch die Widerspenstigsten.
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