Keiner wie er (German Edition)
fortzufahren in der Lage war. Einer Eingebung zufolge hatte Daniel diesmal gleich die Flasche mitgebracht.
„Also ...“ Rasch griff sie noch einmal zum Glas, leerte es in einem Zug und er schenkte eilig nach. „Also ...wie gesagt, es war nicht einfach, Ihren Namen ausfindig zu machen, denn Tina spricht nicht sehr ausufernd über Sie. Ich musste einige Tricks anwenden ...“
Daniel nickte.
„Aber ... wissen Sie, sie ist so seltsam ...“
Ach nein? Echt? „Entschuldigen Sie, dass ich Sie unterbreche, worauf beziehen Sie sich?“, erkundigte er sich höflich. „Auf die jüngste Zeit oder die vergangenen Jahre? Denn, wenn Sie mich fragen, ist sie das bereits seit einer geraumen Weile ...“
Das verschlug Vera mal wieder die Sprache und sie kippte den Inhalt des nächsten halben Glases in ihren unersättlichen Rachen. Die Frau musste über eine riesige Blase verfügen. „Wie lange kennen Sie meine Tochter bereits?“ Doch plötzlich schloss sie die Lider und stöhnte leise. „Ich Schaf! “
Okay, das hätte er jetzt nicht unbedingt unterschr...
„Sie kennen sich seit dem Studium?“
Womit Daniel etwas verwirrt zurückblieb. „Das war Ihnen nicht bekannt? Ich dachte, Sie hätten mit meinem Vater gesprochen?“
„Der gab uns lediglich Ihre Adresse und weigerte sich, irgendeine unserer Fragen zu beantworten ...“
Guter Mann! Offenbar lernte er.
„Und Tina wollte nicht ...“
Daniel seufzte. Schon klar.
Auf den jüngsten Schock musste Vera erst einmal ihr Glas leeren, erbrachte dann den Beweis, dass ihre Blase doch nicht endlos belastbar war und verschwand für ein paar schweigsame Minuten im Bad. Schweigsam, weil Collin nichts zur allgemeinen Unterhaltung beizutragen wusste.
Als Tinas Mom wieder erschien, sorgte sie zunächst einmal für Cola-Nachschub, wie Daniel mit wachsendem Staunen beobachtete. Schließlich lehnte sie sich weit über den Tisch. Jetzt wirkten ihre Augen so groß wie Untertassen – ganz ohne Brille. Neugierde glitzerte darin.
„Es ist also eine alte Sache zwischen Ihnen?“
Zögernd nickte er. „Könnte man so sagen. Allerdings will ich darauf hinweisen, dass wir nicht miteinander liiert waren, solange wir ein Appartement ...“
Er sah, dass die Größe von Untertassen weiträumig überschritten wurde und seufzte. „Das wussten Sie natürlich auch nicht?“
„ Sie waren das?“
Daniel nickte.
„Und über all die Jahre ...“
„Nein! Wir haben uns ein knappes Jahrzehnt nicht gesehen.“
„Oh! Wann genau trennten sich Ihre Wege zum ersten Mal, Mr. Grant?“
„Mein Studium war beendet, ich verließ die Stadt, weshalb Tina kurz darauf ebenfalls ging.“
„Nein!“, widersprach Mrs. King sofort. „Sie ging, weil ihr Vater starb. Deshalb ...“
„Moment!“ Diesmal lehnte Daniel sich vor und seine Augen glitzerten. „ Wann genau starb ihr Dad?“
* * *
Bis tief in die Nacht unterhielten sie sich, und Daniel kam endlich einmal in die Verlegenheit, sein Gästezimmer zu nutzen.
Denn er nötigte sie, bei ihm zu übernachten.
Das Hotelzimmer kündigte er höchstpersönlich. Also, er bat Tom, dies zu übernehmen, den er dafür leider aus dem Bett klingeln musste. Aber er fand, nach Jahren der Dauerfrechheiten und versauten Küche schien das nur recht und billig.
Und als er gegen vier Uhr endlich selbst im Bett lag, erkannte er erst, dass eines der aufschlussreichsten Gespräche seit Jahren hinter ihm lag. Wenn nicht das Aufschlussreichste überhaupt.
Erst während er mit der durchaus warmherzigen, wenn auch eindeutig Cola-süchtigen Vera sprach, fiel ihm auf, dass er wirklich nicht viel über Tinas Kindheit wusste. Ihre Mutter erzählte von den damaligen Träumen ihrer Tochter, deren Einsamkeit und dass ihr Dad sie gegen Vera Kings Willen nach Ithaka schickte. Ebenfalls erfuhr er vom Zeitpunkt ihrer Veränderung und kannte auch endlich den Grund dafür. Jedenfalls konnte er sich den zusammenreimen.
Ihre tiefen Ängste um die Tochter ließ Vera jedoch unerwähnt und die waren keineswegs neu. Behutsam tastete Daniel sich vor und kam bald dahinter, dass die Mutter kaum etwas von dem wusste, was Tina in jenen fünfzig Wochen trieb, die sie nicht bei ihr weilte. Auch erfuhr er von ihrem total außerplanmäßigen Besuch Anfang Herbst. Eigentlich machte Tina immer nur an Weihnachten für zwei Wochen Urlaub. Darüber hinaus erzählte Mrs. King, wie sie ihre Tochter davon überzeugte, die Initiative zu ergreifen.
Was ja gründlich daneben ging.
Sie lieferte ihm
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