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Keiner wird weinen

Keiner wird weinen

Titel: Keiner wird weinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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was ich nicht getan habe. Ich habe meinen Mann
     nicht getötet. Geben Sie mir bitte eine Zigarette.«
    Der Milizionär hielt ihr eine Schachtel Chesterfield hin und gab ihr Feuer.
    »Wir beide fahren jetzt ins Krankenhaus, dort wird ein Spezialist Sie untersuchen.«
     
    Die Ultraschalluntersuchung zeigte auf der linken Halsseite ein Hämatom. Vermutlich infolge eines Schlags mit einem stumpfen
     Gegenstand.
    »Es gibt einen Jiu-Jitsu-Griff, ein Handkantenschlag neben die Halsschlagader, nicht direkt dagegen, sondern dicht daneben.
     Davon verliert man das Bewußtsein«, erklärte der Arzt Major Uwarow. »Sie ist ausgeschaltet worden. Der Täter ist ein Fachmann,
     ein Meister fernöstlicher Kampftechniken.«
    Uwarow erreichte, daß der Haftbefehl gegen Inna Selinskaja noch am selben Tag vom Staatsanwalt aufgehoben wurde.
    Am Abend lag Inna in einem heißen Bad mit duftendem Schaum. Auf dem schneeweißen Wannenrand standen ein Glas Kognak, ein kleiner
     Teller mit Apfelspalten und ein Aschenbecher. Vom Kassettenrecorder in der Küche klang die tiefe, sinnliche Stimme von Patricia
     Kaas.
    Inna rauchte, trank den Kognak in kleinen Schlucken und weinte. Sie weinte um ihren Mann Stas, den sie nie geliebt hatte.

Achtundzwanzigstes Kapitel
    »Ich hoffe, Sie haben nicht vor, das Kind einen Toten identifizieren zu lassen?« fragte Nadeshda drohend den jungen Milizionär.
    »Warum nicht?« meldete sich Sonja. »Das ist doch spannend.«
    »Das ist überhaupt nicht spannend.« Der Milizionär lächelte. »Ein Toter ist ein Toter. Ich zeige dir einfach ein Foto, und
     du sagst mir, ob das der Mann aus dem Treppenhaus ist.«
    »Auf einem Foto erkenne ich ihn vielleicht nicht. Nehmen Sie mich doch mit zur Identifizierung, bitte!« beharrte Sonja.
    »Für Kinder unter sechzehn ist das nicht gestattet.«
    »Ist es doch! Haben sie denjenigen schon, der ihn erschossen hat?«
    »Noch nicht. Wir suchen nach ihm.«
    »Und was passiert dann mit ihm?«
    »Er wird bestraft.«
    »Das ist nicht richtig.« Sonja schüttelte den Kopf. »Wenn ich eine Pistole gehabt hätte, hätte ich ihn selbst erschossen.
     Nicht meinetwegen, aber wegen des Mädchens mit dem Asthma. Er hat sie schließlich schon zum zweitenmal überfallen, und nun
     liegt sie im Krankenhaus, auf der Intensivstation.«
    »Er hat sie nicht überfallen, er hat sie nur erschreckt«, korrigierte der Milizionär.
    »Für das Kind mit dem Asthma war das genug«, sagte Nadeshda leise.
    Nachdem Sonja die Fotos von dem Toten betrachtet hatte, bestand sie nicht mehr darauf mitzufahren. Das sah wirklich häßlich
     aus. Sie konnte nicht genau sagen, ob er es war oder nicht. Im Treppenhaus war es dunkel gewesen, sie hatte das Gesicht nicht
     richtig erkennen können. Aber sie wollte gern glauben, daß der Erschossene der Mann mit der offenen Hose war.
    »Ja, ich denke, das ist er.«
    »Du denkst es, oder du weißt es?«
    »Verbürgen kann ich mich dafür nicht«, bekannte Sonja, »aber er sieht so ähnlich aus.«
    In Wirklichkeit wußte der Milizionär genau, daß der Tote der Exhibitionist war, der die Mädchen im Hausflur erschreckt hatte.
     Er war rasch identifiziert worden – er trug seinen Personalausweis bei sich. Sie hatten auch schon herausgefunden, daß der
     Mann seit vielen Jahren bei der psychiatrischen Betreuungsstelle registriert war. Der behandelnde Arzt bestätigte, daß er
     unter starken sexuell motivierten Störungen litt. Ein Grund für eine Einweisung ineine geschlossene Anstalt hatte nicht vorgelegen, denn seine Krankheit galt als nicht gemeingefährlich.
    Dem Kind die Fotos vorzulegen war eine reine Formalität, unangenehm, aber notwendig.
    Der Schuß aus der Makarow-Pistole war vermutlich in dem Augenblick abgefeuert worden, als die Mutter des asthmakranken Mädchens
     für ihre Tochter den Notarzt rief. Die Siebenjährige hatte einen schweren Anfall erlitten – es war ein Wunder, daß sie gerettet
     werden konnte, und vorerst gaben die Ärzte den Eltern keinerlei Garantien.
    Wegen des Gewitters hatte niemand den Schuß gehört. Doch der Nachbar aus dem Erdgeschoß, der auf den Schrei des Kindes hin
     die Wohnungstür geöffnet hatte, erklärte, er habe zwei Männer gesehen. Sie seien an ihm vorbeigelaufen, nacheinander. Der
     erste war groß und gebeugt, derjenige, welcher … Und der andere … Der andere war wohl auch groß, kräftig, mit Bart, vielleicht
     auch ohne. Und kahlköpfig, vollkommen kahlköpfig. Jedenfalls – der Nachbar hatte es nicht genau

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