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Keiner wird weinen

Keiner wird weinen

Titel: Keiner wird weinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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ausmachen können, sie waren
     zu schnell vorbeigerannt.
    Die Fenster dieses Nachbarn lagen zum Hof hinaus, so daß man von dort jeden, der über den Hof lief, gut sehen konnte. Sobald
     die Haustür zugefallen war, war er zum Fenster gestürzt und hatte durch den Regenschleier den langen Psychopathen und einen
     kleinen, dünnen jungen Burschen gesehen, der dem anderen durch die Pfützen nachjagte. Natürlich rechnete er nicht damit, daß
     der Bursche schießen würde, er dachte, er wollte den Kerl einfach verprügeln.
    Der Nachbar kannte sich im Strafrecht nicht aus. Er war ein älterer Mann, nicht sehr gesund, und hätte den Mistkerl, so gern
     er es auch gewollt hätte, nicht einholen, verprügeln oder gar erschießen können. Er wußte nicht, ob der junge Mann mit der
     Pistole richtig gehandelt hatte oder nicht. Als er sah, wie Lidotschka aus dem vierten Stock auf einer Trage eilig die Treppe
     heruntergebracht wurde und ein Pflegereinen Tropf über sie hielt, war ihm ohnehin nicht danach, sich Gedanken zu machen über Gesetz und Strafrecht. Er hatte zwei
     Enkeltöchter, sechsjährige Zwillinge …
     
    Hauptmann Malzew betrat das alte Haus in der Samotjoka und vernahm laute Stimmen, Lachen und fröhliches Fluchen. Eine Gruppe
     Jugendlicher saß auf der Fensterbank zwischen zweitem und drittem Stock. Malzew stieg zu ihnen hinauf.
    »Hallo, Leute. Ist Irina Lukjanowa zufällig hier?« fragte er.
    »Wer sind Sie denn?« Ein Mädchen in einem rosa T-Shirt blies sich das Haar aus dem Gesicht und musterte Malzew mit einem sehr
     weiblichen, abschätzigen Blick.
    »Ich bin von der Miliz. Hauptmann Malzew.«
    »Sehr angenehm.« Das Mädchen sprang von der Fensterbank, daß die hohen Plateausohlen ihrer Sandaletten federten. »Ich bin
     Irina Lukjanowa. Sind Sie wegen des Mordes hier?«
    »Ja. Ich muß Sie sprechen. Sie wohnen doch in diesem Haus? Kommen Sie, gehen wir in Ihre Wohnung.«
    »Ach, können wir nicht auch draußen reden? Wenn ich jetzt zu Hause auftauche, noch dazu mit einem Milizionär … Und überhaupt
     – bei uns zu Hause kann man nicht vernünftig miteinander reden.«
    »Gut.« Malzew nickte. »Gehen wir raus auf den Hof.«
    »Ich habe dem Untersuchungsführer eigentlich schon alles erzählt«, erklärte Irina, als sie sich auf eine Bank gesetzt hatten.
     »Gut, daß Sie Inna freigelassen haben. Sie hat ihn ganz bestimmt nicht umgebracht.«
    »Warum sind Sie sich da so sicher? Kennen Sie sie?«
    »Na ja, wie man seine Nachbarn so kennt.« Irina zuckte die Achseln. »Einmal ist ihre Telefonrechnung aus Versehen in unserem
     Briefkasten gelandet, ich hab sie ihnen gebracht, und wir haben ein bißchen gequatscht. Und dann hat Stasmal seinen Schlüssel von außen steckengelassen. Ich hab’s gesehen und bei ihnen geklingelt.«
    »War er denn so zerstreut?« fragte Malzew erstaunt.
    »Ich kannte ihn nicht weiter. Aber er muß wohl ziemlich schußlig gewesen sein, wenn ihm so was passieren konnte.«
    »Irina, erzählen Sie mir bitte, was sie an dem fraglichen Abend im Treppenhaus gesehen und gehört haben. Haben Sie auf dem
     Fensterbrett gesessen, oder kamen Sie aus der Wohnung?«
    »Ich hab erst auf dem Fensterbrett gesessen, bin dann kurz noch mal nach Hause und anschließend runtergegangen. Vorher hatte
     ich Stas aus dem Haus gehen sehen.«
    »Wann war das?« fragte Malzew.
    »Gegen sieben. Genauer kann ich das nicht sagen. Ich kam vom Bäcker, meine Mutter hatte mich Brot holen geschickt. Da ging
     er grade aus dem Haus, in Anzug und mit Krawatte, ganz feierlich, und roch nach Rasierwasser.«
    »Ist Ihnen das aufgefallen, weil er sich normalerweise anders kleidete?«
    »Nein. Er trug oft Jackett, aber dazu meist Jeans, dunkles Hemd oder T-Shirt. So mit Krawatte, das war selten.«
    »Er verließ also das Haus gegen sieben«, sagte Malzew nachdenklich. »In vollem Festaufzug.«
    »Ja, gegen sieben. Und zurück kam er gegen neun.«
    »Und Sie haben die ganze Zeit im Treppenhaus gesessen?«
    »Wo denn sonst?« fauchte Irina. »Draußen auf dem Hof nervt mich meine Oma, zu Hause meine Eltern. Wo kann man denn sonst in
     Ruhe zusammensitzen?«
    Malzew steckte sich eine Zigarette an.
    »Kann ich auch eine haben?« bat Irina. »Ich hab meine drinnen bei den anderen gelassen.«
    Du bist noch viel zu jung zum Rauchen – mit sechzehn, wollte Malzew sagen, besann sich aber, hielt ihr die Schachtel hin und
     gab ihr Feuer.
    Das Mädchen inhalierte einen tiefen Zug, schlug die Beine übereinander, kniff

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