Keiner wird weinen
hätte nur gelacht über die
unglückliche arme Frau, der die Krücken weggerissen wurden. Sie war genau wie er, wenn sie mit ihm ins Restaurant ging und
ins Bett. Es war also alles gerecht.
Wolodja schlug den Mantelkragen hoch, steckte die Hände in die Tasche und ging mit festen Schritten zum Jeep.
Niemand achtete auf den kleinen, gebeugten Mann im grauen Trenchcoat, der sich in der einbrechenden Dunkelheit an einem geparkten
Jeep zu schaffen machte. Er wurde überhaupt selten wahrgenommen, als trüge er eine Tarnkappe.
Er wartete die Explosion nicht ab. Wer weiß, wie lange die beiden im Restaurant sitzen blieben. Er hatte ohnehin schon genug
kostbare Zeit verschwendet. Der Mechanismus würde sich einschalten, sobald das Auto losfuhr. Die Explosion würde lokal begrenzt
sein. Andere Autos und Menschen würden nicht zu Schaden kommen.
Fünftes Kapitel
Die diensthabende Einsatzgruppe der Miliz, die gegen Mitternacht zum Restaurant »Paradieswinkel« gerufen wurde, fand zwei
Leichen. Ziemlich rasch wurde ermittelt, daß der Mann am Steuer des explodierten Jeeps Schläger in einer kleinen Verbrecherbande
gewesen war. Die Autobombe war zweifellos Teil eines der üblichen Bandenkriege.
Zusammen mit dem Schläger war seine zufällige Begleiterin umgekommen, eine zwanzigjährige Verkäuferin.
Ungewöhnlich war nur die originelle Konstruktion des Zünders. So etwas hatten die Experten noch nie gesehen. Offensichtlich
war da unter den Hobby-Pyrotechnikern ein neuer Star aufgetaucht. Die Sprengkraft entsprach hundert Gramm TNT. Die Explosion
hatte das gesamte Wageninnere zerfetzt, Fahrer und Beifahrerin in Stücke gerissen. Die Karosserie aber war heil geblieben.
Die Sachverständigen erklärten, der Täter habe die todbringende Ladung mit einem Magneten am Boden des Wagens befestigt, und
daß die Karosserie heil geblieben sei, grenze an ein Wunder.
»So etwas sehe ich zum erstenmal.« Milizhauptmann Georgi Malzew war verblüfft. »Eine Blechbüchse voll Hackfleisch. Dieses
pyrotechnische Genie würde ich gern kennenlernen.«
»Da bist du nicht der einzige«, sagte Major Uwarow nachdenklich. »Für so ein Genie würde jeder Bandenboß eine Menge bieten.«
Später stellte sich heraus, daß der Jeep am selben Tag in einen kleinen Zwischenfall verwickelt gewesen war. Er hatte im Berufsverkehr
am Fußgängerüberweg vor der Metrostation am Belorussischen Bahnhof eine gehbehinderte Frau angefahren. Ein kleiner, magerer
Mann war aus seinem Moskwitsch gesprungen und hatte der Frau aufgeholfen. Die Männer von der Verkehrsmiliz, die den Vorfall
beobachteten, standen mit ihrem Mercedes ebenfalls im Stau. Siewollten den Jeep sogar verfolgen, unterließen es dann aber. Vor kurzem waren sie schon einmal einem solchen Rowdy hinterhergefahren,
und der hatte eine Kanone gezogen, losgeballert und zwei Milizionäre verwundet.
Wolodja schaltete den Fernseher ein und goß sich Tee ein. Er trank gern Earl Grey, in seinem schneeweißen Küchenschrank standen
ordentlich aufgereiht zehn Packungen Pickwick-Teebeutel. Sein Gefrierschrank war voller Fertiggerichte. Konserven, Zucker,
Salz, löslicher Kaffee, Rosinen, Nüsse – von allem besaß er große Mengen, und das alles ließ sich in der winzigen Küche bequem
unterbringen.
Im Bad bewahrte er in einem Extrakarton einen Jahresvorrat an Seife, Zahnpasta, Waschpulver und diversen Toilettenartikeln
auf. Er kaufte alles auf Vorrat, um möglichst selten in Geschäfte gehen zu müssen. Das deprimierte ihn nämlich jedesmal.
Vor kurzem hatten in seiner Nähe gleich drei schicke Supermärkte aufgemacht. An den Kassen befanden sich Ständer mit Zeitschriften.
Von den Hochglanzumschlägen sprangen dem Betrachter nackte Brüste und schamlos verrenkte Frauen- und Männerkörper ins Auge.
Die Regale bogen sich unter den Waren in bunten Verpackungen. Wolodja dachte: Der Überfluß allein ist nicht böse. Aber er
macht den Menschen dumm, gierig und rücksichtslos.
Im sechsten Programm begann der aktuelle Kriminalreport. Er stellte lauter.
»Gestern abend wurde auf der Leningrader Chaussee …«
Die Stimme aus dem Off rasselte im Eiltempo ihren Text herunter. Die Kamera verweilte genüßlich auf den entstellten Gesichtern
der Opfer.
»Das Opfer war Mitglied einer kriminellen Vereinigung«, fuhr die Sprecherin fort, »seine Beifahrerin war Verkäuferin in einer
Boutique …«
Wolodja seufzte erleichtert auf, aß ein Stück Schwarzbrot
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