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Keiner wird weinen

Keiner wird weinen

Titel: Keiner wird weinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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auf den Hof. Monika hat sich darüber sehr gewundert, denn er hatte doch fürs Rasieren bezahlt. Hinterher hat sie ihn wiedererkannt.
     Die Polizei hat ja die ganze Nachbarschaft befragt. Da war sie so aufgeregt, da hat sie die Schnittwunde auf der Wange total
     vergessen. Aber heute ist ihr die wieder eingefallen. Und nun weiß sie nicht, ob sie bei der Polizei anrufen und davon erzählen
     soll … Sie hat im Spiegel gesehen, wie draußen ein Mann stehenblieb. Jung, Leinenjackett, darunter ein schwarzes T-Shirt.
     Und Schnurrbart. Ein schwarzer Schnurrbart. Er stand mit dem Gesicht zum Fenster und rauchte. Sie hat noch gedacht, der kommt
     vielleicht rein, zum Haareschneiden. Jedenfalls, als dieser Mann am Fenster auftauchte, da hat Denis heftig mit dem Kopf gezuckt,
     als wäre er erschrocken. Darum die Schnittwunde.«
    »Könnte ich mit dieser Monika sprechen?« fragte Anton leise.
    »Willst du etwa selbst den Mörder suchen?« Agneška sah ihn erschrocken an.
    »Keine Angst, ich will nicht den Privatdetektiv spielen. Ich vertraue eurer Polizei.«
    »Monika hat gesagt, der Mann draußen habe ausgesehen wie ein Türke oder Aserbaidshaner.«
    »Er hat den Mörder also gekannt«, murmelte Anton, »vielleicht ist er die ganze Nacht durch die Stadt gerannt, um ihn abzuhängen.«
    »Wieso die ganze Nacht?« fragte Agneška erstaunt.
    »Hätte er im Hotel übernachtet, dann hätte er sich selbst rasiert. Er rasierte sich jeden Morgen. Sein Bart wuchs sehr schnell.
     Egal, in welchem Zustand er war, rasiert hat er sich jeden Morgen. Das war für ihn wie Zähneputzen. Oder ist er in den Friseursalon
     gegangen, weil er hoffte, dort würde er nicht getötet werden? Und dann hat er den Schnauzbartgesehen und ist durchs Fenster geflohen? Ein Türke … Es könnte tatsächlich ein Türke gewesen sein …«
    Die Friseuse Monika ging mit ihnen in ein kleines Hinterzimmer, setzte Wasser auf, schüttete Gebäck in eine Schale und seufzte
     und klagte.
    »Das war Ihr Bruder? Was für ein Kummer, das möge Gott jedem ersparen … Er war müde, hektisch und verschreckt. Ich hab noch
     gedacht, der Mann hat die Nacht nicht geschlafen. Wissen Sie, nach einer schlaflosen Nacht sind die Augen ganz rot und das
     Gesicht ist blaß. Solche Dinge fallen mir immer auf. Als ich bei dem Inspektor meine Aussage gemacht habe, war ich so aufgeregt,
     da habe ich gar nicht an den Schnauzbart gedacht, der draußen stand und rauchte. Dabei ist er hinterher noch mal am Fenster
     aufgetaucht. Ich hatte den Eindruck, daß er sich umsah, irgendwie suchend … Natürlich, der Mann war ein Killer! Hätte ich
     das geahnt, hätte ich die Polizei gerufen. Sie hätten den Kerl festgenommen und die Pistole gefunden. Ach, was hilft das jetzt
     noch!« Sie winkte resigniert ab. »Aber Sie haben noch gar nicht gesagt, ob ich den Inspektor anrufen soll oder nicht.«
    »Ja, natürlich.« Anton nickte gleichgültig.
    Das spielte nun keine Rolle mehr. Jetzt wußte er, wer seinen Bruder getötet haben konnte. Aber der Mörder würde nie gefunden
     werden.
     
    Wolodja parkte das Auto in einem stillen Hof in der Nähe des Restaurants. Er hatte den Gorilla mit dem Quadratschädel, den
     Fahrer des Jeeps, mit einem hochgewachsenen Mädchen in das Restaurant gehen sehen. Ihr Lederrock reichte knapp über den Hintern,
     über die nackten Schultern hatte sie lässig einen teuren Pelz geworfen. Ihre glatten, langen Beine schimmerten selbst in der
     Dämmerung sonnengebräunt. Ihr Begleiter hatte das Urteil verdient. Aber sie? Sie würde ja auch ins Auto steigen …
    Wolodja hielt unentschlossen inne. Er mußte noch ein weiteres Urteil fällen. Hier und jetzt. Wer weiß, wann er noch einmal
     so eine günstige Gelegenheit bekäme. Er konnte nicht endlos warten. Er durfte für diesen Bastard keine wertvolle Zeit verschwenden.
     Aber das Böse mußte bestraft werden.
    Er stand im dunklen Torbogen und versuchte herauszufinden, wieviel Gutes und Böses in dem unbekannten Mädchen steckte, das
     er nur flüchtig gesehen, dessen Gesicht er nicht einmal richtig ausgemacht hatte. Aber sie begleitete den Gorilla. Sie ging
     mit ihm ins Restaurant und stellte ungeniert ihren sündigen, luxuriösen Körper zur Schau. Ein solcher Körper war teuer, sie
     präsentierte ihn wie eine Ware. Sie hätte durchaus mit im Jeep sitzen können, als der Gorilla stur auf einen lebendigen Menschen
     zugefahren war, als habe er eine leere Straße vor sich. Sie hätte ihn nicht davon abgehalten. Sie

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