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Keiner wird weinen

Keiner wird weinen

Titel: Keiner wird weinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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sein für dich, mein Glück, nur für dich.«
    Sie fragte nicht einmal, wie es seiner Mutter ging. Aber warum sollte sie das interessieren?
    »Du bist auch so schön.« Anton griff zum Telefon.
    Noch nie hatte sich unter dieser Nummer eine Männerstimme gemeldet. In der Wohnung lebten offenbar nur Frauen. Die ältere
     war am strengsten. Mit ihr zu reden hatte keinen Sinn. Die Junge war etwas sanfter, hatte aber die Anrufe natürlich ebenfalls
     satt. Manchmal ging ein Kind ran.
    Jetzt war besetzt. Anton wartete eine Weile, dann wählte er erneut. Die Kinderstimme sagte: »Hallo, wer spricht da?« Wenn
     er wüßte, wie die junge Frau hieß, könnte er sie ans Telefon bitten, so aber mußte er wohl oder übel auflegen. Er konnte schließlich
     nicht einem Kind alles erklären!
    Anton beschloß, jeden Abend anzurufen. So lange, bis die junge Frau mit der traurigen Stimme abnahm. Irgendwie hatte er das
     Gefühl, daß er am besten mit ihr redete. Er würde sie dazu bringen, ihn anzuhören, und ihr alles von A bis Z erzählen. Was
     kostete es sie schon, das Fax aus Prag zu suchen? Wenn es nicht inzwischen verlorengegangen war …
    »Anton, was sind das für Albernheiten? Du wählst dreimal dieselbe Nummer und sagst nie etwas.« Olga lachte spöttisch und zauste
     ihm das Haar. »Hast du vielleicht eine neue Liebe?«
    »Nicht doch, Olga, was für eine Liebe? Da ist bloß entweder besetzt, oder die Verbindung bricht ab.«
    »Laß mich mal wählen.«
    »Nicht nötig. Wahrscheinlich irgendwas mit der Leitung.« Anton ging ins Bad.
    »Aber nicht so lange«, mahnte Olga, »ich hab schon alles fertig, und vor dem Essen möchte ich mir noch die Haare waschen –
     du willst schließlich nicht, daß ich mich mit diesem Turban an den Tisch setze.
    Er antwortete nicht. Es war ihm egal, in welchem Aufzug sie am Tisch saß.
     
    Abends um halb sieben stieg der Steinmetz Wjatscheslaw Wolobujew, genannt Kljatwa, nüchtern und in einem ordentlichen Jeansanzug
     in seinen kleinen hellblauen Shiguli, fuhr zum Friedhofstor hinaus und nahm die Ausfahrt in Richtung Allunionsausstellung.
     Er kurvte eine Weile zwischen den gleichförmigen Neubauten hinter dem Ausstellungsgelände umher, parkte schließlich in einem
     Hof, ging einpaar Häuserblocks zu Fuß und verschwand in einem Hauseingang.
    Die winzige Einzimmerwohnung wirkte trostlos und unbewohnt. Kaum Möbel, nur ein Büroschreibtisch und ein paar Stühle. In der
     Küche gab es keinen Herd, auf einem polierten Schränkchen stand ein schneeweißer Tefal-Wasserkocher.
    Hier lebte niemand. Die Wohnung war ein konspirativer Treff und gehörte einer Abteilung des Innenministeriums.
    Kljatwa füllte den Wasserkocher, schaltete ihn ein, nahm eine Büchse löslichen Kaffee, Zucker und zwei Tassen aus dem Schränkchen
     und sah auf die Uhr. Der Mann, auf den er wartete, verspätete sich nie. Kljatwa dagegen hatte immer Probleme, exakt zur verabredeten
     Zeit zu kommen – er erschien entweder zu früh oder zu spät. Diesmal war er ganze zwanzig Minuten zu früh da, obwohl er die
     Zeit selbst festgelegt hatte. Na, auch gut, konnte er einen Kaffee trinken und noch einmal in Ruhe nachdenken.
    Als er heute morgen die vertraute Silhouette am Zaun entdeckt hatte, war er zunächst geradezu erstarrt. Sein erster Gedanke
     war gewesen: Schnell anrufen. Doch dann hatte er sich ausgemalt, wie die Miliz seinen Friedhof von allen Seiten umstellte.
     Und es war nicht einmal gesagt, daß sie ihn wirklich schnappen würden. Wenn Skwosnjak entwischte, würde er umgehend herausfinden,
     wer ihn verpfiffen hatte. Dann war Kljatwa ein toter Mann. Sollte aber ein Wunder geschehen und Skwosnjak gefaßt werden, dann
     würden ihn die eigenen Leute erledigen. Nein, er durfte nicht gleich losrennen und anrufen. Das war Selbstmord.
    Er hatte einige Augenblicke dagestanden und überlegt, was er, seit fünf Jahren Milizinformant, in dieser Situation tun sollte.
     Und beschlossen, es ganz schlau anzustellen, wie im Spionagefilm. Er hatte Skwosnjak angesprochen, zu sich eingeladen, mit
     ihm geredet, ihn quasi gewarnt, daß die Bullen über den Friedhof Bescheid wußten, und ihm damit gezeigt,daß er ihm vertrauen könne. Er hatte sogar versucht, ihn auszufragen, wo er wohnte und so. Ganz vorsichtig natürlich. Ein
     Mann wie Skwosnjak, wenn man dem eine unbedachte Frage stelle, der brachte einen ins Grab, so schnell konnte man gar nicht
     kucken. Der erledigte einen mit dem kleinen Finger, der Hund.
    Aber es hatte

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