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Keiner wird weinen

Keiner wird weinen

Titel: Keiner wird weinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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Haare haben Sie wohl vom Papa geerbt?«
    »Nein, von meiner Mama. Vera ist Mamas Freundin. Ich wohne im Moment bei ihr, meine Mama ist auf einer wissenschaftlichen
     Konferenz im Ausland, und Papa ist auch auf einer Dienstreise. Haben Sie Kinder?«
    »Noch nicht …«
    »Das ist gut.« Sonja nickte.
    »Warum?«
    »Wenn Sie ein Kind hätten und Sie hätten den Hund mit nach Hause gebracht, dann hätte es sich nicht von Matwej trennen wollen«,
     erklärte Sonja ernsthaft.
    »Ehrlich gesagt, ich hatte kurz den unschönen Gedanken, euren Matwej selbst zu behalten. Er gefällt mir sehr. Und dann war
     unter der Telefonnummer sowieso nie jemand zu erreichen. Da habe ich gedacht, offenbar will den Hund keiner, und ich habe
     weder Frau noch Kinder noch einen Hund. Ich bat die Nachbarn um eine Leine, und da erzählten siemir von eurem Zettel. Ich hab mir vorgestellt, daß jemand nach ihm sucht, ihn vermißt, sich Sorgen macht, und hab mich geschämt.«
    »Wissen Sie, wir haben ihn auch gefunden, vor anderthalb Jahren.« Und Vera erzählte, wie sie zu Matwej gekommen waren.
    »Da haben Sie Glück gehabt. Ein toller Hund.« Fjodor sah Vera in die Augen, und sie registrierte flüchtig, daß ihr das angenehm
     war.
    Sie standen bereits eine ganze Weile vor ihrer Haustür. Matwej zerrte an der Leine, er wollte nach Hause.
    »Ich bin auch hungrig«, sagte Sonja, hockte sich vor Matwej und nahm die Hundeschnauze in ihre Hände, »aber ich benehme mich
     anständig.«
    »Halte ich Sie auf?« Fjodor lächelte schuldbewußt. »Wenn ich Sie richtig verstanden habe, haben Sie noch nicht einmal gefrühstückt.
     Ich ehrlich gesagt auch nicht … Gleich als ich aufgewacht bin, habe ich Sie angerufen.«
    »Dann kommen Sie doch mit hoch, frühstücken wir zusammen!« schlug Vera zu ihrer eigenen Überraschung vor.
    »Danke, da sage ich nicht nein.«
    Das klang schlicht und natürlich, jede Peinlichkeit war wie weggeblasen.
    Sie gingen hinauf in die Wohnung. Veras Mutter war bereits fort zur Arbeit, sie wußte noch nicht, daß Matwej sich wieder angefunden
     hatte. Vera rief als erstes in der Poliklinik an und ließ ihrer Mutter die freudige Nachricht übermitteln.
    Während Vera ihr berühmtes Omelett mit Tomaten und geröstetem Schwarzbrot briet, machte Sonja das Frühstück für Matwej: Sie
     übergoß Haferflocken mit heißer Fleischbrühe und gab kleingeschnittenes Fleisch dazu. Der Hund schaute zu, ließ kein Auge
     von Sonja, zappelte mit den Vorderpfoten und leckte sich ungeduldig die Schnauze.
    Fjodor ging sich die Hände waschen, und als er kurz darauf aus dem Bad zurückkam, fragte er: »Haben Sie Werkzeug im Haus?
     Schraubenzieher, Flachzange?«
    »Wieso?« fragte Vera erstaunt.
    »Der Wasserhahn tropft, er muß repariert werden.«
    »So einen Gast könnten wir auch mal gebrauchen«, sagte Sonja seufzend, »bei uns zu Hause tropft alles.«
    »Frühstücken wir lieber erst einmal.« Vera stellte drei Teller auf den Tisch und drehte die Flamme unter der Pfanne ab. »Das
     Omelett muß heiß gegessen werden, sonst fällt es zusammen und schmeckt nicht mehr so gut.«
    »In Ordnung. Aber danach repariere ich den Wasserhahn. Ich kann es nicht leiden, wenn irgendwas tropft.«
    »Sie sind nicht zufällig Klempner, Fjodor?« fragte Sonja und setzte sich an den Tisch.
    »Nein.« Er schob sich ein Stück Schwarzbrot in den Mund.
    »Sondern?«
    »Ich arbeite beim Wachschutz einer kleinen Firma.«
    »Im Ernst? Und warum haben Sie dann keinen kahlgeschorenen Quadratschädel und keine kiloschweren Muskeln?« Sonja sah ihn neugierig
     an.
    »Weil das absolut nicht nötig ist.« Er nahm ein Stück Omelett auf die Gabel und kaute langsam. »Vera, Sie kochen wundervoll.«
    »Eigentlich kann ich fast gar nicht kochen.« Sie lächelte. »Aber ein paar Dinge gelingen mir ganz gut.«
    »Ein Wachmann braucht viel Muskeln und wenig Gehirn«, erklärte Sonja kategorisch.
    »Keineswegs.« Fjodor schüttelte den Kopf. »Im Gegenteil. Und was machen Sie, Vera?«
    »Ich bin Übersetzerin.«
    Unaufdringlich fragte er Vera nach ihrer Arbeit und ihrem Privatleben. Er schien soviel wie möglich über sie erfahren zu wollen.
    Nach dem Kaffee fiel ihm der Wasserhahn wieder ein, und trotz Veras Protest ließ er sich den Werkzeugkasten geben.
    »An Ihrer Waschmaschine holt man sich einen elektrischen Schlag, und der Lichtschalter ist auch kaputt. Machen Sie Ihre Arbeit,
     ich repariere inzwischen alles«, sagte er.
    »Das ist mir peinlich, Fjodor. Nicht genug, daß

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