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Keiner wird weinen

Keiner wird weinen

Titel: Keiner wird weinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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Sie unseren Hund gefunden haben …«
    »Ehrenwort, Vera, das macht mir Spaß. Ich erledige gern solche Arbeiten im Haus. Übrigens, ich glaube, da summt Ihr Fax. Kümmern
     Sie sich nicht um mich.« Er berührte behutsam mit den Fingerspitzen ihre Hand und sagte ganz leise: »Wie schön, daß Sie nicht
     verheiratet sind.«
    Vera spürte, daß sie errötete.
    »Ich gehe runter!« rief Sonja. »Da ist ein Mädchen, das ich vorgestern kennengelernt habe.«
    »Gut. Aber nicht so lange«, antwortete Vera.
    Aus dem Fax quoll eine neue Portion Umweltschutzaufrufe. Bevor Vera sich an ihren Schreibtisch setzte, ging sie zum Spiegel.
     Nein, ihr Gesicht glühte nicht, die Wangen waren nur leicht gerötet. Sie fuhr sich mit der Bürste durchs Haar. Aus dem Bad
     drang leises Klirren. Stas Selinski wäre es nie in den Sinn gekommen, in ihrer Wohnung etwas zu reparieren …
    »Setz dich an deine Arbeit«, sagte Vera zu ihrem Spiegelbild, seufzte, setzte sich an den Tisch und schaltete den Computer
     ein.
    Es hatten sich eine Menge Texte angesammelt, und nach ein paar Minuten dachte sie an nichts anderes mehr als an ihre Übersetzungen.
    »Ist das was Ökologisches?« hörte sie Fjodor hinter sich fragen und zuckte zusammen.
    Er war lautlos ins Zimmer getreten, nun stand er hinter ihr, die Hände auf ihrer Stuhllehne, und schaute auf den Bildschirm,
     auf dem russische Textzeilen leuchteten. Vera drehte sich um und sah ihn von unten herauf an.
    »Ja, das sind Materialien für eine Umweltkonferenz.«
    Er stand ganz dicht hinter ihr. Durch das dünne T-Shirt spürte sie, daß er eine intensive Wärme ausstrahlte, als hätte er
     sich beim Reparieren der Waschmaschine selbst mit Strom aufgeladen.
    Wir sind ganz allein, dachte sie, und ich kenne ihn überhaupt nicht …
    »Im Bad tropft und blitzt nun nichts mehr«, sagte er leise, »und ich finde keinen Vorwand mehr, um wenigstens noch ein bißchen
     bei Ihnen zu bleiben.«
    Vera wußte nicht, was sie darauf erwidern sollte. Noch vor zwei Tagen hatte sie überlegt, ob sie sich an eine Partnervermittlung
     wenden sollte. Natürlich nicht im Ernst, aber die alberne Idee war immerhin kurz aufgetaucht. Und das war ein schlechtes Zeichen,
     besonders wenn man dreißig war und tatsächlich niemanden hatte. Und auf einmal – bitte sehr, ein wunderbarer junger Mann,
     wie auf Bestellung: ruhig, häuslich, allein; er hatte Matwej gefunden, im Bad alles repariert, sah sie zärtlich an und mochte
     nicht weggehen. Aber er war irgendwie … Völlig fremd, von anderer Art. Nicht einmal deshalb, weil er Wachmann war. Er war
     einfach fremd und Punkt.
    In Wirklichkeit wollte sie jetzt keine neuen Aufregungen, keine Beziehung, sie mußte erst einmal mit ihrer unnützen alten
     Liebe fertig werden. Die war zwar eigentlich vorbei, trotzdem mußte sie alles erst verarbeiten. Vera empfand eine innere Leere.
     Leere und Leichtigkeit. Und überhaupt hatte sie keine Zeit, sie hatte eine Menge zu tun.
    Aber sie konnte ihn schließlich nicht rauswerfen. Das war unhöflich.
    »Ich weiß einen Vorwand!« Vera lächelte. »Kaffee haben wir schon getrunken, jetzt mache ich Ihnen einen Tee.«
    »Haben Sie auch mal frei?« fragte er, als Vera ihn in den Flur brachte.
    »Im Prinzip schon. Aber im Moment habe ich sehr viel zu tun.«
    »Und wenn ich Sie einlade?« fragte er vorsichtig und unsicher.
    »Kommt drauf an, wohin.«
    »Ins Kino geht man nicht mehr. Aus dem Diskoalter sind wir beide raus. Die Theater sind alle auf Gastspielreisen. Bleibt nur
     ein Restaurant oder ein Café. Ich hole Sie morgen abend ab, gegen sieben.«
    Vera wunderte sich, daß von Matwej gar nichts zu hören war. Er war vor einer Stunde, nachdem er seine Schüssel blank geleckt
     hatte, im Zimmer verschwunden und hatte sich unterm Tisch verkrochen. Normalerweise kam er immer in den Flur gerannt, wenn
     er dort Stimmen hörte.
    »Matwej«, rief Vera, «komm her, dich verabschieden.«
    Matwej kam zögernd in den Flur getrottet.
    »Mach’s gut, Matwej, bleib gesund, und paß auf, daß du nicht mehr verlorengehst.« Fjodor zauste ihm den Nacken.
    Statt freundlich mit dem Schwanz zu wedeln, was er normalerweise tat, wenn ein Gast ging, zuckte Matwej mit dem Kopf, bleckte
     die Zähne und schmiegte sich an Veras Bein, als suche er Schutz. Vera merkte erstaunt, daß er zitterte und den Schwanz zwischen
     die Hinterpfoten geklemmt hatte.
    »He, Matwej« – Vera schüttelte den Kopf –, »schämst du dich nicht? Er hat dich aufgelesen, dir das

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