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Keiner wird weinen

Keiner wird weinen

Titel: Keiner wird weinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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Er schob dem Major das Foto von Skwosnjak hin.
     
    »Mädchen, ich habe doch gesagt, du sollst mich nicht anrufen, ich habe eure Nummer, wenn es irgendwelche Neuigkeiten gibt,
     rufe ich selbst an«, sagte eine hohe Männerstimme gereizt.
    »Entschuldigen Sie bitte, vielleicht sehen Sie doch einmal nach, vielleicht hat sich ja inzwischen etwas ergeben?«
    »Was heißt hier inzwischen? Du hast vor einer halben Stunde erst angerufen. Ich habe schon gesagt, euer Hund ist nicht unter
     den als tot gemeldeten. Das ist alles. Mehr ist bisher nicht bekannt.«
    »Entschuldigen Sie«, flüsterte Sonja in den Hörer, aus dem bereits das Freizeichen tutete.
    Heute morgen hatte Veras Mutter bei der Auskunft die Nummer eines Tiersuchdienstes erfragt – eine Genossenschaft mit dem vielversprechenden
     Namen »Otrada«, Freude.
    Erst hatten sie in den Höfen der Nachbarschaft Zettel geklebt, dann war Veras Mutter zum Dienst in die Poliklinik gegangen,
     und Vera und Sonja waren nach Bibirjowo gefahren, wo sie sich in der Metrostation, neben einem geschlossenen Kiosk, mit dem
     Agenten des Suchdienstes treffen sollten. Es war ein dicker Mann um die Fünfzig in einem fleckigen Anzug. Vera dachte, der
     Agent würde mit ihnen in ein Büro gehen, doch er zog eine dicke Mappe aus der Tasche und breitete auf der schmalen Kiosktheke
     einen Haufen Papiere aus.
    »Legen wir erst einmal den Umfang der Suche fest: Wohngebiet, Kreis, Stadt oder ganzes Gebiet.«
    »Was ist denn besser?« fragte Sonja.
    »Am besten natürlich im ganzen Gebiet«, sagte Vera.
    Der Agent füllte eine Spalte aus und wühlte erneut in seinen Papieren.
    »Nun die Suchgebiete. Ich zähle auf, und Sie sagen ja oder nein. Also, Müllgruben.«
    »Ich weiß nicht«, sagte Vera verwirrt, »kommt ganz drauf an …«
    »Gut«, meinte der Agent, »dann lassen wir die lieber drin.« Er machte ein Kreuz. »Weiter. Koreanische Restaurants.«
    »Wozu denn das?« fragte Sonja erstaunt.
    »Sie fangen Hunde für ihre Nationalgerichte«, erklärte der Agent kaltblütig. »Drinlassen?«
    »Ja«, antworteten Vera und Sonja im Chor. »Für alle Fälle«, setzte Vera leise hinzu.
    Dann folgten Pelzateliers, wo aus Hunden Mützen gemacht wurden, Vivarien und der Vogelmarkt. Neben jedem Punkt machte der
     Agent ein Kreuzchen.
    »So, nun rechnen wir mal zusammen, was wir da haben.« Er holte einen winzigen Taschenrechner hervor und verkündete nach einer
     Weile: »Einhunderttausendzweiundachtzig Rubel. Sie können auch in Dollar zahlen, nach Tageskurs.«
    »Aber ich habe nur dreitausend bei mir«, sagte Vera ratlos.
    »Gut.« Der Agent nickte. »Geben Sie her. Mal sehen, was wir dafür unternehmen können.«
    Vera und Sonja verabschiedeten sich von dem Agenten und gingen nach Hause. Vera hatte keinen einzigen Rubel mehr im Portemonnaie,
     nur die Quittung des Suchdienstes und ein paar Metrochips.
    Obwohl der Agent gesagt hatte, daß sie ihn nicht anrufen sollten, wählte Sonja immer wieder die Nummer, die auf der Quittung
     stand. Sie bekam jedesmal dasselbe zu hören: »Wir haben noch keine Informationen. Unter den als tot gemeldeten ist er nicht.«
    »Wenigstens etwas«, seufzte das Mädchen und legte auf.
    Vera verbrachte den restlichen Tag am Computer. Sonja ging ein bißchen raus, durchs offene Fenster vernahm Vera, wie sie im
     Hof klagend rief: »Matwej! Matwej!«
    Als am Abend Veras Mutter von der Arbeit kam, hörte sie sich die Geschichte von dem Treffen mit dem Agenten an und war empört.
    »Ein Glück, daß du nur dreitausend bei dir hattest. Das ist doch ein Gauner und kein Agent.«
    »Aber Mama, er hat mir schließlich eine Quittung gegeben«, widersprach Vera, »und die Telefonnummer haben wir von der Auskunft.«
    »Schon gut.« Nadeshda seufzte. »Mehr können wir ohnehin nicht tun.«
    Ohne Matwej war es in der Wohnung ungewohnt still. Vera saß bis drei Uhr nachts an ihren Übersetzungen. Nach Mitternacht ging
     sie nicht mehr ans Telefon, obwohl es mehrmals klingelte. Sie wußte: Das ist wieder diese verdammte Firma. Wie oft waren sie
     oder Sonja heute zum Telefon gerannt, in der Hoffnung, daß jemand Matwej gefunden hatte …
    Beim Einschlafen überlegte Vera, daß die Chance, ihn zu finden, mit jedem Tag geringer wurde. Sie würden sich nie wieder einen
     Hund anschaffen. Niemals, um keinen Preis.
    Am Morgen erwachte sie von Sonjas freudigem Schrei: »Vera! Steh auf! Er hat sich angefunden!«
    Sonja stand im Nachthemd vor ihr, das Telefon in der Hand. Vera nahm den

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