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Keiner wird weinen

Keiner wird weinen

Titel: Keiner wird weinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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zarter, durchsichtiger Haut, mit üppiger, fester Brust, zudem besaß sie einen ausgezeichneten
     Geschmack, sie verstand sich zu kleiden und zu schminken, hatte ein Gefühl für Stil und für das richtige Maß.
    Stas schäumte sich den Kopf mit Shampoo ein und sinnierte, daß er wahrscheinlich eine Macke hatte mit seinen Schönheiten.
     Selbst Vera, die ihm so vertraut war, beurteilte er wie eine Ware, wie ein Rennpferd. Andererseits – das war eben normale
     männliche Eitelkeit, so alt wie die Welt. Sonderbar war etwas anderes: Erwog er tatsächlich, Vera zu heiraten?
    Ohne sich diese Frage beantwortet zu haben, stieg Stas aus der Wanne, schaltete den Fön ein, legte sich sorgfältig das Haar
     und bürstete den kurzen, harten Bart. Schließlich war er bald vierzig, er hatte zwei Söhne, die er kaum kannte. Ebensowenig
     wie sie ihn. Die Trennung von den Müttern war so unschön und mit so heftigem Streit verlaufen, daß ihre Beziehung sich auf
     die Alimente beschränkte. So gesehen, hatte er keine Kinder. Und auch keine Frau mehr. Es wäre doch wirklich albern, diese
     Metzgertochter aus Kriwoi Rog, die ihm ein Stück Wohnfläche entreißen wollte, als seine Frau anzusehen.
    Er nahm sein letztes sauberes Hemd aus dem Schlafzimmerschrank. Man sollte keinen hübschen Kleiderständer heiraten, sondern
     eine Frau, die einem die Hemden wusch und bügelte.
    Stas ging zur Metro. Er war überzeugt, daß Vera zu Hause war. Wo sollte sie sonst sein? Nein, er hatte noch keine bestimmte
     Entscheidung getroffen. Er mußte sich lediglich versichern, daß alles in Ordnung war. Daß sie niemanden hatte außer ihm. Daß
     er ihr Einziger war. Daß er jederzeit auf sie zählen könnte.
    Unterwegs kaufte er eine langstielige zartrosa Rose. Mit Geld war er in letzter Zeit klamm, einen ganzen Strauß konnte er
     sich nicht leisten. Aber eine einzelne Blume, das war sehr elegant. Er verwöhnte Vera sowieso selten mit Blumen. Sie würde
     sich unsäglich freuen.
    »Stas?« fragte Vera hinter der Tür.
    Sie schien zu überlegen, ob sie ihm öffnen sollte oder nicht. Das war neu.
    »Vielleicht läßt du mich lieber rein, Vera?«
    Das Schloß klackte. Die Tür ging auf. Er umarmte sie, küßte sie zärtlich auf die Schläfe. Sie roch nach »Lulu«, diesen Duft
     kannte er gut. Warum trug sie ihn zu Hause? Sie war auch gar nicht häuslich angezogen: ein langer Rock aus hellbeigem Chiffon,
     eine ärmellose cremefarbene Seidenbluse.Alles in zarten Pastelltönen, die perfekt zu ihren hellen Haaren und Augen paßten.
    Der Setter Matwej sprang hoch und wedelte mit dem Schwanz. Er freute sich immer über Stas.
    »Ich hatte große Sehnsucht. Bist du allein?«
    Sie wich zurück, nahm seine Hand von ihrer Taille.
    »Stas, ich …«
    »Sag bloß nicht, daß du viel zu tun hast, und laß mich nicht hier im Flur rumstehen.« Er versuchte zu lächeln, doch das Lächeln
     geriet irgendwie gummiartig.
    »Ich bin nicht allein, Stas.«
    »Deine Mama ist zu Hause?«
    »Nein. Mama ist mit Sonja beim Zahnarzt. Sonja hat Probleme mit einem Zahn, der Milchzahn ist noch nicht ausgefallen, und
     der neue kommt schon durch, es ist alles entzündet … Stas, ich werde heiraten.«
    Das kam so urplötzlich, daß Stas es zuerst überhörte.
    »Ach, Tatjana hat also wieder mal Sonja bei dir abgeladen? Was ist denn mit ihrem Zahn?«
    Auf einmal spürte er von hinten einen Blick auf sich lasten. Endlich hatte er kapiert, wollte es aber nicht glauben.
    »Na, dann mach uns mal bekannt … Ich bin schließlich kein Fremder«, stammelte er, und sein Gesicht verzog sich erneut zu einem
     gummiartigen Lächeln.
    »Gut« – Vera nickte –, »komm rein. Ich koche gleich Kaffee.«
    Er ging zur Küche. Plötzlich stand ein nicht sehr großer Mann mit kurzem dunkelblondem Haar vor ihm.
    »Macht euch bekannt, das ist Fjodor, das ist Stas …«
    Stas streckte mechanisch die Hand aus. Es folgte ein kühler Händedruck. Etwas an diesem durchschnittlichen, durchaus sympathischen
     Gesicht kam ihm merkwürdig bekannt vor. Kein übler Kerl, etwas über dreißig, kurze Haare, kräftige, aber nicht übermäßig breite
     Schultern. Irgendwo hatte Stas ihn schon mal gesehen. Ungute Augen. Eiskaltund durchdringend. Aber Stas war natürlich voreingenommen. Wieso sollte dieser Bursche ihm sympathisch sein? Wollte Vera ihn
     wirklich heiraten? Warum so schnell? Vor einer Woche hatte es noch keinen Fjodor gegeben. Stas hatte sie doch vor einer Woche
     besucht, und da war sie gewesen wie

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