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Keiner wird weinen

Keiner wird weinen

Titel: Keiner wird weinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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immer, seine Vera …
    Sie saßen in der Küche und schwiegen. Stas holte seine Zigaretten hervor, bot Vera eine an, sie griff zu, und Stas bemerkte,
     daß ihre Hand leicht zitterte.
    Sie ist genauso aufgeregt wie ich, dachte er, die Situation ist für sie vollkommen ungewohnt. Aber dieser Kerl ist ganz ruhig,
     die Augen eiskalt … Wo habe ich ihn bloß schon mal gesehen? Ob ich ihn frage?
    Er hielt Fjodor die Zigaretten hin. Der lehnte ab. Schüttelte stumm den Kopf.
    »Sie rauchen nicht?« »Nein.«
    »Entschuldigen Sie, Fjodor, sind wir uns schon mal irgendwo begegnet?«
    »Nein.«
    Stas kam sich vor wie ein Idiot. Er sollte aufstehen und gehen.
    Dieser Fjodor wirkte ziemlich unkultiviert. Gleich würde er mit der Zunge schnalzen und zu ihm sagen: »He, Alter, komm mal
     mit raus!« Würde ihm womöglich die Fresse polieren. So einem war das zuzutrauen. Und wenn Vera bloß deshalb den erstbesten
     heiraten wollte, um ihn, Stas, zu ärgern? Wenn es so war, dann war noch nicht alles verloren. Sie liebte ihn schließlich seit
     fünfzehn Jahren. Und den da kannte sie noch keine Woche.
    »Wann ist denn die Hochzeit?« fragte er und sah Vera an.
    »Fjodor hat mir eben erst einen Antrag gemacht« – Vera wurde rot –, »vor einer halben Stunde.«
    Sie konnte sich nicht mit einem Scherz herausreden oder ihm etwas vorschwindeln. Sie sagte wie immer die Wahrheit.Plötzlich wußte Stas: Sie liebte diesen Fjodor nicht, er war erst vor kurzem aufgetaucht, rein zufällig. Vielleicht war er
     gar ein Betrüger? Vielleicht ging es ihm um Wohnrecht und Wohnraum? Immerhin besaß Vera eine passable Zweizimmerwohnung im
     Zentrum.
    Ich muß mich erinnern, wo ich ihn schon mal gesehen habe. Eine zufällige Begegnung? Aber warum kommt mir sein Gesicht dann
     bekannt vor? Ich habe doch ein schlechtes Personengedächtnis.
    »Ich bin also eine halbe Stunde zu spät«, sagte er nachdenklich.
    »Nein, fünfzehn Jahre«, entgegnete Vera leise.
    Fjodor saß stumm da, wie eine Wachsfigur, und schaute Stas aus seinen unangenehmen grauen Augen an. Den fröstelte unter diesem
     Blick.
    »Na, Kinder, ihr seht aber gar nicht aus wie glücklich Verliebte.« Stas stand auf. »Vera, kann ich dich einen Augenblick sprechen?
     Entschuldigen Sie, Fjodor, ich muß mit Vera allein reden.«
    Auch diesmal blieb Fjodor stumm, nickte nur leicht mit dem Kopf. Stas ging mit Vera ins Zimmer und schloß die Tür.
    »Bist du verrückt geworden?« flüsterte er und preßte Veras Kopf an seine Brust. »Das geht doch nicht, mein Mädchen! Wer ist
     er? Wo kommt er her? Du liebst ihn gar nicht, und bestimmt weißt du nichts über ihn.«
    »Hör auf, Stas, bitte.« Ihre Stimme zitterte, sie fing bitterlich an zu weinen, wie ein Kind. »Ich kann so nicht weitermachen.
     Du hast mich genug gequält, ich will eine normale Familie, ein Kind, und zwar mit einem Vater. Ich weiß, wie schlecht es ist
     ohne Vater. Ich werde langsam alt, ich habe schon Falten um die Augen, und er liebt mich, trägt mich auf Händen. Er ist so
     fürsorglich und häuslich, er repariert alles, mit ihm habe ich meinen Frieden …«
    »Kennt deine Mama ihn schon?«
    »Ja, er gefällt ihr, er ist sehr nett. Natürlich ist er ein bißchen anders … Seine Mama war Tellerwäscherin in einer Kantine,
     hat getrunken und besoffene Kerle mit nach Hause gebracht, sie haben in einer Art Keller gewohnt. Er arbeitet beim Wachschutz,
     hat keine Ausbildung außer zehn Klassen, Armee und Tschetschenien. Er redet wie in einer Fernsehserie.«
    »Moment mal, er war in Tschetschenien?« Stas war entsetzt. »Auch das noch. Trotzdem, ich hab ihn schon mal irgendwo gesehen.
     Im Moment bin ich nervös und kann mich nicht erinnern. Aber es fällt mir bestimmt wieder ein. Es ist wichtig, das spüre ich.
     Hör mal, meinst du nicht, daß er nur spielt? Du sagst ja selbst, er redet wie in einer Fernsehserie.«
    »Ach Stas, ist das denn entscheidend? Ja, er stammt aus völlig anderen Kreisen. Na und? Ich werde mich an ihn gewöhnen und
     ihn lieben. Mir hat noch nie jemand einen Heiratsantrag gemacht, niemals. Und ich bin schon dreißig.«
    »Willst du damit mich überzeugen oder dich selbst?« fragte Stas leise und nahm ihr Gesicht in seine Hände.
    »Ich weiß nicht …«
    »Kennst du wenigstens seinen Familiennamen?«
    »Nein …«
    »Hör mal, Vera, vielleicht läßt du diesen Fjodor lieber sausen? Er gefällt mir nicht.«
    »Das wär ja auch komisch.« Vera lachte unter Tränen. »Schließlich will ich ihn

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