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Keiner wird weinen

Keiner wird weinen

Titel: Keiner wird weinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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einen
     halben Kopf und schaute auf ihn herab, ein wenig hochmütig.
    »Das scheint dir nur so«, sagte Fjodor und lachte abfällig. »Wenn du ein bißchen drüber nachdenkst, leuchtet dir das bestimmt
     ein. Das müssen wir beide entscheiden, nicht sie. Wenn du nicht mehr bei Vera auftauchst, dann heiratet sie mich. Sie wünscht
     sich schließlich wie jede normale Frau eine Familie, ein Kind …«
    »Und wenn ich auftauche?« fragte Stas düster.
    »Du hast ihr auch so schon das Leben kaputtgemacht. Sie hat dir doch klar und deutlich gesagt: Du kommst fünfzehn Jahre zu
     spät. Wie oft hättest du sie in dieser Zeit heiraten können? Wieso willst du es jetzt unbedingt? Du meinst, ich passe nicht
     zu ihr, ja? Bin zu primitiv?«
    »Ich meine überhaupt nichts!« entgegnete Stas wütend. »Ich muß hier raus. Mach’s gut, Fjodor.«
    Sie stiegen zusammen aus.
    »Hör mal, Fjodor, ich hab dich nicht zu mir eingeladen«, sagte Stas, als sie auf sein Haus zugingen.
    »Schon klar« – Fjodor nickte –, »du hast eine Frau und überhaupt … Also, wie lautet deine Entscheidung?«
    »Mein Gott, verstehst du denn nicht, Vera ist kein Gegenstand, über den man entscheiden kann. Geh nach Hause, Fjodor.«
    »Du läßt dich garantiert nicht scheiden«, sagte Fjodor ungerührt. »Du wirst eine Weile um sie rumscharwenzeln und dich dann
     wieder mal in die Büsche schlagen. Hast du gar kein Mitleid mit Vera?«
    »Ich lasse mich scheiden«, knurrte Stas. »Und überhaupt, wieso sollte ich das mit dir erörtern?« Er trat ins beleuchtete Treppenhaus.
    »Ist deine Frau jetzt zu Hause?« fragte Fjodor neben ihm plötzlich.
    »Ja, ist sie. Wieso?«
    »Hast du den Mumm, ihr jetzt gleich zu sagen, daß du dich von ihr scheiden läßt? Beweise wenigstens einmal, daß du ein richtiger
     Mann bist. Beweise es. Dann verschwinde ich.«
    »Wenn du es genau wissen willst: Ich hab ihr das längst gesagt. Wir sind schon dabei, uns zu trennen, nur daß sie nicht so
     einfach geht. Erst will sie sich ein Stück von der Wohnung schnappen. Sie packt genauso zu wie du. Beinhart.«
    Diese Worte schien Fjodor überhört zu haben. Von oben, von einem Treppenabsatz zwischen den Etagen, drang Lachen. Dort saß
     wie immer eine fröhliche Gruppe Teenager.
    »Sag mal, vielleicht bist du ja ein Irrer?« fragte Stas gequält. »Entschuldige, aber wie du dich benimmst, das ist einfach
     nicht normal.«
    »Nein« – Fjodor lächelte gutmütig –, »ich bin kein Irrer. Ich liebe Vera und möchte, daß alles menschlich zugeht. Ich will
     Klarheit, verstehst du? Ihr Studierten, ihr müßt immer alles komplizierter machen. Aber ich bin ein einfacher Mann, ich bin
     für Klarheit.«
    Ein Mädchen in einem superkurzen giftgrünen Lackrock und in Sandalen auf turmhohen Plateausohlen kam die Treppe heruntergerannt
     und wäre beinahe gegen die beiden vorm Fahrstuhl stehenden Männer geprallt.
    »Tag«, warf sie Stas zu und rannte hinaus auf die Straße.
    Stas kannte sie seit ihrem Windelalter, sie wohnte ihm gegenüber. Er erinnerte sich nur nie an ihren Namen – Ira oder Sweta
     …
    Der Fahrstuhl kam. Stas hatte gar nicht bemerkt, daß sein aufdringlicher Begleiter auf den Knopf gedrückt hatte. Sie stiegen
     zusammen ein.
    »Hörst du damit vielleicht irgendwann mal auf?« fragte Stas. »Hast du nicht verstanden: Ich lade dich nicht zu mir ein.«
    »Das hab ich verstanden.« Fjodor nickte. »Du lädst mich nicht ein.«
    Er hatte die Hände in die Taschen gesteckt. Seine Augen waren ganz nah und schauten Stas kalt und spöttisch an.
    Macht er sich etwa über mich lustig? dachte Stas. Ich kann doch nicht die Miliz anrufen, wenn er mir in die Wohnung folgt!
     Noch nie habe ich mich so sehr wie ein Idiot gefühlt. Noch nie …
    Der Fahrstuhl hielt im vierten Stock. Stas holte schweigend den Schlüssel aus der Tasche, öffnete die Tür, betrat die Wohnung
     und wollte, ohne den zwei Schritte entfernten Fjodor anzusehen, die Tür sofort zuschlagen, wobei er vor lauter Nervosität
     vergaß, den Schlüssel aus dem Schloß zu ziehen.
    Fjodor stellte einen Fuß in die Tür. Erst jetzt merkte Stas, wie stark dieser aufdringliche Einfaltspinsel war. Stas wurde
     bleich.
    »Du willst mich also unbedingt besuchen, ja?« fragte er mit gequältem Lächeln.
    »Wenn ich etwas will, warte ich nicht erst auf eine Einladung«, erwiderte Fjodor leise, beinahe flüsternd.
    Die reglosen grauen Augen starrten Stas an, und der wandte unwillkürlich den Blick ab.
    »Na schön« – er

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