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Keiner wird weinen

Keiner wird weinen

Titel: Keiner wird weinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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heiraten, nicht du.«
    »Nein, das meine ich nicht … Das ist doch Blödsinn, was wir beide da machen, ich heirate dauernd Zicken, und nun willst du
     mit dem erstbesten aufs Standesamt. Er ist bestimmt ein Hochstapler. Wenn du willst, mache ich dir einen Heiratsantrag, ja?
     Soll ich? Wir werden heiraten, eine richtige Familie gründen, ein Kind haben. Du liebst ihn doch nicht. Du liebst mich, das
     weißt du selbst. Ich bin schuld, ich habe mich dir gegenüber immer wie ein Schwein benommen.«
    »Schluß jetzt!« Sie wischte sich die Tränen ab. »Das hatten wir alles schon. Jedesmal wenn irgend jemand sich ernsthaft für
     mich interessiert, verdirbst du alles. Erinnerst du dich an Andrej Sacharow, damals im zweiten Studienjahr? Und dann der andere,
     wie hieß er noch? Der Physiker Wolodja, den ich bei Tanja kennengelernt hatte … Jeden hast du mir madig gemacht, warst auf
     einmal ganz zärtlich. Und nach zwei Wochen kam das nächste Model, und du … Nein, Stas. Es reicht. Du hast zwei Söhne, hattest
     an die zwanzig Ehefrauen und Geliebte, du liebst nur dich selbst, du kannst kein Ehemann und Vater sein, du bist selber ein
     verwöhntes, schwieriges Kind. Und überhaupt – ich glaube dir nicht mehr. Ich bin es leid.«
    »Vera, ich liebe dich sehr«, flüsterte er, preßte sie an sich und streichelte ihren Kopf. »Ich war ein Idiot. Ich brauche
     niemanden außer dir. Glaub mir ein letztes Mal, und laß uns heiraten.«
    Die Tür ging lautlos auf. Auf der Schwelle stand Fjodor.
    »Kommst du bald, Vera?« fragte er ruhig, als sähe er gar nicht, daß die beiden eng umschlungen mitten im Zimmer standen.
    Was für ein Schwachsinn, dachte Stas, ich kann mich doch schließlich nicht mit diesem Wachmann prügeln! Der legt mich im Nu
     aufs Kreuz. Aber der zieht nicht so leicht wieder ab, das ist ein anderes Kaliber als der Philologe Andrej und der Physiker
     Wolodja. Der ist beinhart. Mein Gott, was tun?
    »Ich ruf dich an, Stas«, sagte Vera leise und sah ihn mit trockenem, hoffnungslosem Blick an. »Geh jetzt … Ich ruf dich an,
     wir treffen uns und reden in Ruhe über alles. Aber jetzt geh. Und du, Fjodor … Verzeiht mir. Alle beide. Seid mir nicht böse
     … Ich muß eine Weile allein sein.«
    »Gut.« Fjodor nickte. »Ich verstehe. Du mußt eine Weile allein sein. Wir gehen. Alle beide. Ich komme morgen wieder.«
    Sie verließen die Wohnung zusammen.
    »Hör mal, vielleicht gehen wir noch irgendwohin und reden im guten miteinander?« schlug Fjodor plötzlich vor.
    »Worüber?« fragte Stas mürrisch. »Worüber sollten wir miteinander reden? Über Vera?«
    »Zum Beispiel.« Der frischgebackene Bräutigam nickte. »Weißt du, sie hat mir nämlich von dir erzählt. Du hast sie fünfzehn
     Jahre gequält. Wenn wir beide nun heiraten, wo ist die Garantie, daß sie nicht wieder zu dir rennt, sobald du sie rufst?«
    »Na, weißt du« – Stas schüttelte den Kopf –, »die Garantie kann dir keiner geben.«
    »Richtig. Keiner außer dir. Deshalb müssen wir miteinander reden.«
    »Also schön, was willst du von mir?« fragte Stas müde. »Daß ich verschwinde? Entschuldige, das kann ich nicht. Trotzdem –
     wo kann ich dich schon mal gesehen haben? Erinnerst du dich nicht?«
    »Doch« – Fjodor nickte –, »ich erinnere mich genau. Nirgends. Niemals. Ich hab eben ein Durchschnittsgesicht.«
    Sie hatten längst das Haus verlassen und waren auf dem Weg zur Metro.
    Will er etwa bis zu mir nach Hause mittrotten? dachte Stas gereizt. Ich kann mich doch nicht mit ihm prügeln, also wirklich!
    »Ich laß dich sowieso nicht in Ruhe«, verkündete Fjodor, als habe er Stas’ Gedanken gelesen. »Natürlich polier ich dir nicht
     die Fresse. Das wäre dumm. Wenn Vera erfährt, daß ich dich auch nur angerührt habe, dann hast du gewonnen. Am besten, du begreifst
     selber, daß ich nicht aufgeben werde. Du bist doch verheiratet, soviel ich weiß.«
    »Wohin mußt du?« fragte Stas seufzend, als sie mit der Rolltreppe unten angekommen waren.
    »In dieselbe Richtung wie du. Ich hab doch gesagt, ich laß dich nicht in Ruhe.«
    Der Zug fuhr ein.
    Wahrlich, Einfalt ist schlimmer als Diebstahl, dachte Stas, während er einstieg. Was soll ich nur mit ihm machen? Mit nach
     Hause nehmen?
    »Hör mal, begreifst du nicht, daß das Veras Entscheidung ist, nicht unsere?« versuchte Stas geduldig zu erklären.
    Sie standen im halbleeren Waggon nebeneinander und hielten sich an der oberen Haltestange fest. Stas überragte Fjodor um

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