Keinesfalls Liebe (German Edition)
eine gute Idee gewesen war. Ich lachte gedanklich über sie.
„Tut mir leid, ich wirke bestimmt wie eine überbesorgte Glucke auf dich. Aber ich hatte es im Gefühl, ich hab gespürt, dass du dort nicht gut aufgehoben bist. Und nun haben wir den Salat. Wäre ich nur ein wenig früher losgefahren …“
Seans Stimme drang voller Inbrunst an mein Ohr, sodass ich langsam ins Hier und Jetzt zurückkehrte. Ich saß in dem gemütlichen Sessel im Wohnzimmer, unter einer Decke und mit einer Tasse Kakao in der Hand.
Als ich den Inhalt von Seans Worten begriff, schaute ich ihn entsetzt an. „Nein! Sean, ach was. Du bist toll. Ich bin froh, dass du mir gefolgt bist. Ich glaub, ich hätte da noch eine ganze Weile gesessen.“
Unschlüssig ging Sean vor mir auf und ab. Es war schätzungsweise drei Uhr nachts; die Uhrzeit war mir ziemlich egal. Das goldene Licht der Lampe über unseren Köpfen vermittelte heimeligen Frieden.
„Trotzdem, Jo! Ich hätte gar nicht erst zulassen dürfen ...“
„Du hast alles richtig gemacht.“
„Nein, ich hätte dich aufhalten müssen!“
„Wer hat denn geahnt, dass Ryan so austickt?“ Ich stellte meine Tasse auf den Couchtisch und griff eilig nach Seans Arm, als er wieder in meine Reichweite kam. „Ich bin dir sehr, sehr dankbar. Und wirklich, es geht mir gut. Das kam alles ein bisschen plötzlich. Ich hab überreagiert. Ich stand unter Schock, und du hast nichts, gar nichts falsch gemacht.“
Mit einem tiefen Seufzen ließ sich Sean auf das Sofa sinken. „Na ja, Ryans Pflegevater ist hochgradig kriminell. Und das Problem ist, dass die Anklagen entweder fallen gelassen werden oder er freigesprochen – ach, vergiss es.“
„Kriminell?“
„Ach, das ist jetzt nicht weiter wichtig.“
„Versprich es mir.“
„Was meinst du?“, fragte er verwirrt.
„Versprich es mir“, forderte ich streng. „Versprich mir, dass du aufhörst, dir Vorwürfe zu machen.“
Einer seiner Mundwinkel zuckte kurz. „Was, wenn nicht?“
Ich legte so viel Ernsthaftigkeit wie möglich in meine Stimme, als ich drohte: „Sonst beschmiere ich dich mit all meinen Ölfarben!“
Das beeindruckte ihn nicht. Er zog nur eine Augenbraue hoch.
„Als ob.“
„Wie, als ob?“
„Nicht einmal für Daniel oder Ryan würdest du deine Farben missbrauchen.“
„Du hast gewonnen“, gab ich sofort nach. Ich fragte mich, wie er mich nach vier Wochen schon so gut kennen konnte.
Lachend beugte Sean sich vor und drückte kurz meine Hand.
„Ja, ja. Jonas Müller und seine Farben.“
Langsam lehnte er sich wieder zurück. Sein Blick wurde erneut besorgt.
„Mir geht’s gut“, versicherte ich ihm und meinte es so. „Wirklich, mach dir keine Sorgen.“
„Schon gut.“ Er grinste kurz. „Ich hab mich nur gefragt … na ja, ob du dich fit genug fühlst, um für Celine Modell zu stehen. Neben Daniel.“
„Daniel hat mir nichts getan“, murmelte ich.
„Er ist ein guter Freund von Ryan, Jo.“
„Na und? Es war ein kleiner Schlag auf die Nase. Es tut nicht mal mehr so weh.“ Ich trank in kurzen, raschen Schlucken meine Tasse leer. „Es wird mich nicht für den Rest meines Lebens verfolgen.“
Skeptisch hob Sean eine Augenbraue. „Wenn du meinst“, seufzte er schließlich.
Sorgfältig legte ich die Decke zusammen, was Sean misstrauisch beäugte.
„Ähm. Was denn?“
„Ist das so was wie Stressbewältigung?“
„Nein“, sagte ich überrascht. „Ich bin einfach nur sorgfältig. Ich – ich will, dass es ordentlich aussieht, wenn Daniel herkommt.“
„Es ist kurz nach drei am Morgen“, informierte Sean mich trocken.
„Oh. Na ja, trotzdem.“ Ich legte die Decke aufs Sofa zurück und ging ins Bad. „Ich bin mal unter der Dusche.“
„Okay. Möchtest du noch was essen?“
„Nein, danke, Sean. Danke für alles.“
Je heller die Sonne meine Umgebung machte, desto fröhlicher wurde ich, desto besser ging es mir. Celine, die von dem Drama letzte Nacht nichts mitbekommen hatte, war besorgt, denn Carlos ließ sich bis Mittag nicht blicken. Er kam erst um halb eins zur Tür herein geschlurft. Mit einem erleichterten Aufschrei sprang Celine vom Sofa und warf sich in seine Arme. Sie schwankten zusammen, aber Carlos schien mehr bei Sinnen als sonst und brachte sogar ein kurzes, anständiges Gespräch zustande. Er sah müde und blass aus – doch er war nüchtern. Vorerst.
Zum ersten Mal seit Langem aßen wir zu viert zu Mittag. Sean, Celine, Carlos und ich. Endlich.
Erst beim Abwasch brachte ich es
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