Keinesfalls Liebe (German Edition)
ich, aber ich blickte erst ihm in die Augen und dann zu Celine, die gerade ein paar Tassen in den Schrank stellte. Carlos biss sich auf die Unterlippe, und eine Weile waren wir still.
„Du bist zwar schwul“, sagte er leise. „Trotzdem: Ich mag dich, Jo. Ich mag dich wirklich.“ Er machte plötzlich einen Schritt auf mich zu und ich lag in seinen Armen und konnte seinen angenehmen Duft – Carlos, Mann, Spanien und Schweiß – tief einsaugen.
Wir einigten uns auf Carlos’ Lieblingsfilm: Jurassic Park 3 .
Um kurz vor zehn Uhr – ich saß in Schlafsachen in meinem Zimmer und skizzierte Daniels Gesicht, ohne darüber nachzudenken – klopfte es energisch an die Tür. Kaum dass ich „Herein“ gesagt hatte, steckte Carlos den Kopf ins Zimmer.
„Lust, auf eine Party mitzukommen?“, fragte er unumwunden. Er trug schon seine schwarze, eng anliegende Cordjacke und strahlte mich hoffnungsvoll an.
„Oh … jetzt noch? Ich weiß nicht.“
„Ach komm schon, amigo . Die Party steigt bei Nick, einem Kumpel von mir. Das wird toll, ich schwöre!“
Einerseits war ich schon etwas müde. Andererseits war es genau das, was ich mir erhofft hatte: eine Party mit Carlos.
„Okay“, seufzte ich. „Du hast mich überredet.“
„War ganz schön schwer“, scherzte er zwinkernd. „Komm, wir laufen.“
„Laufen? Uff!“
„Man fährt nicht Auto, wenn man getrunken hat“, sagte Carlos trocken. „Und ich sag dir, ich werde dermaßen zu sein, dass –“
„Okay, okay!“, fuhr ich ihm ins Wort. „Ich bin gleich da.“
„Wunderbar.“ Er grinste munter und knallte mit seinem typischen Temperament die Tür zu, und ich machte mich auf die Suche nach passender Kleidung.
Carlos‘ Euphorie nach würde es eine heftige Party mit viel Alkohol werden. Ich würde darauf achten, dass Carlos nicht zu tief ins Glas – nein, in die Flasche schaute. Einzige Voraussetzung: selbst nüchtern zu bleiben. Oh je. Ich hatte richtig Lust darauf, mal wieder abzufeiern. Ob ich das schaffen würde?
Ich schlüpfte in eine enge Jeans, ein rotes dicht anliegendes T-Shirt und verzichtete auf eine Tasche. Ich war kaum aus dem Zimmer getreten, da hatte Carlos auch schon meine Hand genommen.
„Hat noch jemand Lust?“, rief er halbherzig.
„Nö“, kam es einstimmig aus dem Wohnzimmer.
Carlos kommentierte das nicht und zog mich aus der Wohnung.
„Tschüss Sean, tschüss Celine!“, rief ich noch hilflos, aber dann befand ich mich in der Gewalt des partywilden Carlos. Nicht, dass es mir etwas ausmachte, doch ich sorgte mich um ihn.
Wir liefen langsam und gemächlich, in Richtung der Berge, und ich nutzte die Chance, etwas über Carlos herauszufinden, weil mir auffiel, wie wenig ich über ihn wusste. Er beantwortete meine Fragen bereitwillig: Seine Lieblingsfarbe war rot, sein Lieblingssport Fußball, sein Lieblingsessen Paella, und seine generelle Lieblingsmusik alles, das sich irgendwie nach seinem Land anhörte. Er hatte den Großteil seines Lebens in Spanien am Strand verbracht und liebte das Haus seines Vaters am Rande seiner Heimatstadt.
Wegen Eskapaden in der Schule hatte ihn sein Vater rausgeschmissen, als er neunzehn war. Ein Jahr lang hatte er in Spanien Musik studiert und ziemlich schnell abgebrochen, um sich woanders ein Leben aufbauen. Durch eine Mail-Bekanntschaft verschlug es ihn nach Florida, wo er sein Studium wiederaufnahm. Dort gab es Probleme mit seinen Mitbewohnern, und er hatte wieder gewechselt, dieses Mal nach San Bernardino.
„Ich werde hier bleiben, bis ich mit dem Studium fertig bin und dann versuchen, in Spanien eine Stelle als Musiklehrer zu bekommen“, erzählte Carlos und grinste mich mit funkelnden Augen an. „Und ich werde Spanien nie wieder verlassen. Ich will dort sterben und ich will dort begraben werden.“
Schließlich war ich derjenige, der ausgequetscht wurde. Ich erzählte ihm, dass ich für Sport meistens zu faul war, überwiegend 30 Seconds To Mars, also Rock und Alternative und ansonsten kaum Musik hörte, weil ich das Malen als die höchste Kunst empfand.
Das entlockte Carlos ein freundliches, heiseres Lachen.
„Du bist Paul recht ähnlich“, sagte er leise.
„Wer ist Paul?“, fragte ich sanft, denn eigentlich konnte ich es mir bereits denken.
„Meine Sünde“, flüsterte Carlos.
Ich seufzte und erwiderte nichts.
„Wir müssten gleich da sein“, sagte er wenige Momente später, als wir in eine sehr lange Straße voll prunkvoller Häuser einbogen. „Ja, da ist es, das Dritte
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