Keinesfalls Liebe (German Edition)
müssen wir die Geister der Vergangenheit ruhen lassen.“
Ich drückte ihn an mich. Es war das Richtige gewesen, es ihm zu sagen.
Der nächste Freitag kam ohne irgendwelche Zwischenfälle. Sean und ich bemühten uns, Celine aufzubauen – irgendwann im Lauf der Woche hatten wir uns dafür entschieden, es ihr nicht zu sagen. Für sie gab es darin sehr viel weniger Trost als für uns.
Eigentlich war sie am Freitagabend mit dem Einkauf fürs Wochenende dran, aber ich übernahm es für sie. Celine war bekanntlich ein Mensch, der sich zurückzog; sie an die kalte, böse Welt zu zerren war nicht gut. Also ließen Sean und ich zu, dass sie sich in ihr stilles Trauern hüllte.
Wir wussten, es würde zwar eine Weile dauern, aber es würde enden. Sie hatte nicht die Zeit gehabt, mehr Gefühle für Carlos zu entwickeln als Verliebtheit. Natürlich, es tat anders weh. Es tat sehr, sehr viel stärker weh.
Ich wollte mir nicht vorstellen, was ich fühlen würde, wenn ich ständig dieses eine Bild vor mir sehen müsste: Daniel – tot wegen Selbstmord. Das lebendige Funkeln für immer aus seinen Augen verschwunden. Nie mehr würden sie mich mustern, denn sie sahen gar nichts mehr. Nie mehr würde er mich berühren, denn er spürte nichts mehr. Nie wieder sein Lachen und ihn nie wieder reden hören, denn seine Muskeln und Stimmbänder bewegten sich nicht mehr …
… Die Chance, ihn dazu zu bringen, mich zu lieben, für immer verloren – denn Daniel fühlte gar nichts mehr. Oder kann sich Liebe für einen Lebenden auch in der Seele eines Toten entwickeln? Würde er bis zu meinem Tod auf mich warten? Da oben?
Oder gibt es etwa schöne, knackärschige, rehäugige Männer im Himmel? Wenn ja, könnte ich mir das gleich wieder abschminken.
Das Einkaufen lenkte mich von den schrecklichen, unerträglichen Bildern ab. Also von denen, die Daniels Tod zeigten. Schöne knackärschige, rehäugige Männer waren zwar nicht ganz mein Fall – breite, starke Männer wie Daniel waren mir tausendmal lieber – aber ich hätte jetzt wirklich nichts gegen irgendeinen Mann gehabt.
Da stand ich, mit dem Einkaufszettel in der Hand, vor den Regalen in einem winzigen Supermarkt und malte mir genüsslich aus, Sex zu haben. Als ich wieder herauskam, hätte ich mich beinahe ein wenig geschämt. Nur beinahe.
Es war dunkel geworden. Ich bog um die Ecke. Die Straßenlaternen brannten. Und erleuchteten zwei männliche Gestalten, die hitzig miteinander diskutierten. Abrupt blieb ich stehen.
„Ich brauche Jake, verdammt noch mal!“, zischte eine wütende, tiefe Stimme, die zu einem Mann gehörte, der mir zugewandt und ungefähr Mitte, Ende dreißig war – zumindest vom Aussehen her. Er wirkte anziehend und faszinierend auf mich. Doch seine Haare waren weiß. Und seine Augen leuchteten fast rosa im Schein der Straßenlaterne.
Albinismus.
„Ach, Michael!“, schnauzte die andere Gestalt. „Du bist ein Grey, verdammt – du bist der Grey! Als könntest du dir nicht aussuchen, wer sich für dich die Hände schmutzig macht! Wieso Jake? Du darfst ihn nicht zum Mörder machen!“
Mir brach der Schweiß aus. Mein Herz schlug so heftig, dass ich fürchtete, es könnte mich in die Luft sprengen oder mich verraten. Ich konnte mich nicht rühren.
„Glaub mir, Thompson“, knurrte Michael Grey, „An meinen Händen klebt mehr Schmutz und Blut, als du je in deinem hoffentlich äußerst kurzen Leben zu Gesicht bekommen wirst.“
In einer einzigen geschmeidigen Bewegung hatte Grey sein Gegenüber an ein Auto gepresst, brachte seinen vollen Mund ganz nah an Thompsons und hauchte etwas. Ich konnte es nicht hören, es war viel zu leise, aber ich sah dem schönen weißen Gesicht an, dass die dazugehörigen Lippen eine Drohung aussprachen.
Abrupt löste Grey sich von Thompson. Kaum wurde der losgelassen, schob er sich an Grey vorbei und machte, dass er fortkam.
Urplötzlich tauchte ein weiterer Mann auf, und ich schob mich etwas weiter hinter die Wand des Gebäudes. Grey wandte sich den Schritten zu und schaute den energisch näherkommenden Mann in einer Mischung aus Genervtheit und Missmut an. Plötzlich packte der Grey so grob am Kragen, dass ich sein Keuchen hören konnte.
„Na, Stewart?“, murrte Grey scheinbar furchtlos. „Wie geht es Daniel?“
Irgendetwas in mir verkrampfte. Das musste Daniels Vater sein!
„Du widerlicher Arschficker“, knurrte er und gab Grey eine schallende Ohrfeige, was den aber nicht weiter zu interessieren schien.
„Ich weiß, ich
Weitere Kostenlose Bücher